Welche Weltanschauung passt zur Wissenschaft?

Christentum und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft

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Naturwissenschaft und christliche Weltanschauung sind eng verbunden. Das Christentum war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung der modernen Naturwissenschaft.

Soziologen (z.B. Rodney Stark, The Victory of Reason. How Christianity Led to Freedom, Capitalism, and Western Success, Random House, New York, 2006), Historiker (z.B. Peter Harrison) und WissenschaftlerInnen weisen immer wieder darauf hin: Naturwissenschaft und christliche Weltanschauung haben sehr viel miteinander zu tun.

Die moderne Naturwissenschaft nutzt die christlichen Idee der Universität und baut auf der Wissenschaft des Mittelalters auf.  (Vgl. z.B. Robert Grosseteste, 1170-1253, dessen Werk heute noch wissenschaftliche Forschung befruchtet.)

Natürlich gab es Vorläufer und vergleichbare Ansätze an anderen Orten. Doch nur in Europa ist die Naturwissenschaft schließlich entstanden.

„Echte Wissenschaft entstand nur einmal: in Europa. China, der Islam, Indien und das antike Griechenland und Rom hatten jeweils eine hochentwickelte Alchemie. Aber nur in Europa entwickelte sich die Alchemie zu Chemie. Gleichermaßen hatten viele Gesellschaften differenzierte Astrologien entwickelt, aber nur in Europa führte die Astrologie zur Astronomie. Warum? Wieder hat die Antwort etwas mit Gottesbildern zu tun.“ (Rodney Stark, The Victory of Reason. How Christianity Led to Freedom, Capitalism, and Western Success, Random House, New York, 2006, 14)

Nur der Glaube an einen rationalen Gesetzgeber in der Natur hat die frühen Wissenschaftler dazu gebracht, solche Gesetze in der Natur zu erwarten und zu suchen – und finden zu können. (Siehe die Weltanschauliche Wurzeln der Wissenschaft: Psalm 19 als Beispiel)

Noah J. Efron, Professor an der israelischen Bar-Ilan-Universität, schreibt zwar über den „Mythos … dass das Christentum die moderne Naturwissenschaft geboren hat“. Trotzdem urteilt er:

„Seien wir fair: die Behauptung, das Christentum hätte zur modernen Naturwissenschaft geführt, drückt etwas Wahres und Wichtiges aus. Generationen von Historikern und Soziologen haben viele Wege entdeckt, auf denen Christen, christliche Überzeugungen und christliche Institutionen entscheidende Rollen dabei spielten, die Grundsätze, Methoden und Institutionen zu formen, die mit der Zeit zur modernen Naturwissenschaft wurden.“ (Noah J. Efron, Myth 9: that Christianity gave birth to modern science, in: Ronald L. Numbers (ed.), Galileo goes to Jail. And other myths about science and religion, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts and London 2009, 80)

James Hannam ist der Autor von „Die vergessenen Erfinder: Wie im Mittelalter die moderne Wissenschaft entstand“ (Sankt Ulrich Verlag, 2011) (Original: „The Genesis of Science: How the Christian Middle Ages Launched the Scientific Revolution“). In einem Blogbeitrag für Nature korrigiert er die falsche Vorstellung, Religion hätte die Wissenschaft behindert:

„Tatsächlich erweisen sich viele der angeblichen Beispiele dafür, dass die Religion den wissenschaftlichen Fortschritt behindert, als falsch. Zum Beispiel hat die Kirche nie gelehrt, dass die Erde flach ist, und im Mittelalter glaubte das ohnehin niemand. Die Päpste haben nicht versucht, Null, das Sezieren von Menschen oder Blitzableiter zu verbieten, geschweige denn den Halleyschen Kometen zu exkommunizieren. Ich freue mich sagen zu können, dass niemand jemals für wissenschaftliche Ideen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.“ (James Hannam, Science owes much to both Christianity and the Middle Ages, https://blogs.nature.com/soapboxscience/2011/05/18/science-owes-much-to-both-christianity-and-the-middle-ages)

Nein, laut Hannam haben Christen auf vielen verschiedenen Wegen die Wissenschaften gefördert:

„Bis zur Französischen Revolution war die katholische Kirche der führende Förderer der wissenschaftlichen Forschung. Seit dem Mittelalter bezahlte sie Priestern und Mönchen das Studium an den Universitäten. Die Kirche bestand sogar darauf, dass Naturwissenschaften und Mathematik Pflichtfächer im Lehrplan sein sollten. … Erst im 19. Jahrhundert fingen die Naturwissenschaften an, praktische Anwendungen zu finden … Davor war der einzige Grund, Naturwissenschaft zu studieren, Neugier oder religiöse Frömmigkeit. Christen glaubten, dass Gott das Universum erschaffen und die Gesetze der Natur eingerichtet habe. Die Natur zu studieren hieß, das Werk Gottes zu bewundern.“ (James Hannam, Science owes much to both Christianity and the Middle Ages, https://blogs.nature.com/soapboxscience/2011/05/18/science-owes-much-to-both-christianity-and-the-middle-ages)

Naturwissenschaft und christliche Weltanschauung sind eng verbunden. Das Christentum war wichtig für die Entstehung und Weiterentwicklung der modernen Naturwissenschaft.

Originalzitate:

„To be fair, the claim that Christianity led to modern science captures something true and important. Generations of historians and sociologists have discovered many ways in which Christians, Christian beliefs, and Christian institutions played crucial roles in fashioning the tenets, methods, and institutions of what in time became modern science.“ (Noah J. Efron, Myth 9: that Christianity gave birth to modern science, in: Ronald L. Numbers (ed.), Galileo goes to Jail. And other myths about science and religion, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts and London 2009, 80)

 

„Indeed, many of the alleged examples of religion holding back scientific progress turn out to be bogus. For instance, the Church never taught that the Earth is flat and, in the Middle Ages, no one thought so anyway. Popes haven’t tried to ban zero, human dissection or lightening rods, let alone excommunicate Halley’s Comet. No one, I am pleased to say, was ever burnt at the stake for scientific ideas.“ (James Hannam, Science owes much to both Christianity and the Middle Ages, https://blogs.nature.com/soapboxscience/2011/05/18/science-owes-much-to-both-christianity-and-the-middle-ages)

 

„Until the French Revolution, the Catholic Church was the leading sponsor of scientific research. Starting in the Middle Ages, it paid for priests, monks and friars to study at the universities. The church even insisted that science and mathematics should be a compulsory part of the syllabus. … It was only during the nineteenth century that science began to have any practical applications. … Before then, the only reason to study science was curiosity or religious piety. Christians believed that God created the universe and ordained the laws of nature. To study the natural world was to admire the work of God.“ (James Hannam, Science owes much to both Christianity and the Middle Ages, https://blogs.nature.com/soapboxscience/2011/05/18/science-owes-much-to-both-christianity-and-the-middle-ages)