„You are reading this book right now. It‘s you that drew this into your life, …“ (179)
„Sie lesen gerade dieses Buch. Sie sind die Person, die das in Ihr Leben gezogen hat, …“ (179)
Wenn es ein Gesetz der Anziehung gibt, lesen Sie diese Worte jetzt, weil Sie sich tief in Ihrem Inneren reflektiert mit dem erfolgreichen Buch Das Geheimnis auseinandersetzen möchten. Was, wenn wir etwas brauchen, das wir uns gar nicht vorstellen können?
Viele Bücher behaupten, eine verborgene, aber dramatische Wahrheit aufzudecken. Dabei widersprechen sie sich auch. Daher scheint es richtig, darüber nachzudenken, ob Das Geheimnis vertrauenswürdig ist.
Wir können das erkennen, indem wir
- nach der inneren Harmonie suchen (gibt es gebrochene Akkorde?),
- uns fragen, wie gut Das Geheimnis und unsere Welt, die Welt, die wir beobachten und in der wir leben, zusammenpassen (oder ist das alles nur eine Fantasie?)
- und indem wir die Konsequenzen durchdenken (Gibt es unerwünschte Nebenwirkungen?).
Fragen helfen über Das Geheimnis zu reflektieren. Hier sind einige Fragen zum Nachdenken:
Gebrochene Akkorde in einer Geheimnis-Harmonie?
Triviale Freuden?
Wie passt das Streben nach besseren Autos (83) oder mehr Dates (113f.) mit der Erkenntnis zusammen, dass alles eins ist, dass Autos und Liebhaber nur Illusionen sind? Sind diese materialistischen Freuden für Gott nicht zu trivial?
Sollte sich Gott nicht um wichtigere Dinge kümmern, als ein neues Haus zu bekommen?
Warum altern wir?
In Das Geheimnis lesen wir, dass es so etwas wie Altern in Wirklichkeit nicht gibt:
„You can think your way to . . . eternal youth“ (131)
„Sie können durch Ihre Gedanken ewige Jugend erlangen.“ (131)
Warum also altern Menschen immer noch, selbst nachdem sie Das Geheimnis gelesen und geübt haben?
Warum gibt es Hunger auf der Welt?
Wenn Menschen, die das Geheimnis verstanden und gemeistert haben, alles haben, sein oder tun können, was sie wollen – wollen sie dann nicht auf einem Planeten leben, auf dem nicht alle 5 Sekunden ein Kind verhungert?
Wer oder was macht die Regeln?
Wenn ursprünglich alles Eins ist, wie entstehen dann die Regeln? Woher kommt zum Beispiel das Gesetz der Anziehung?
Führt uns Das Geheimnis in eine Fantasiewelt?
Gibt es alternative Erklärungen für scheinbare Erfolge?
Können die vielen Fälle, in denen die LoA anscheinend funktioniert hat, anders erklärt werden, z.B. Placebo-Effekt, sich selbst erfüllende Prophezeiungen, Glück oder andere uns unbekannte Ursachen?
Warum werden Ärztinnen und Ärzte nicht ständig krank?
Gesundheitspersonal denkt dauernd und detailliert an Krankheiten. Nach dem Gesetz der Anziehung müssten sie diese Krankheiten selbst in ihr Leben ziehen.
Wie entstand 2006 die Finanzkrise?
Millionen Menschen dachten laufend:
„I can afford that!“ (102f)
„Das kann ich mir leisten!“ (102f)
So empfiehlt es Das Geheimnis. Diese Menschen handelten sogar danach und besorgten sich ein Haus, ein „Traumauto“, „die Kleidung, die Sie lieben“, den „großartigen Urlaub“ und einen Flachbildfernseher auf Kredit.
Andere Menschen in Banken und Finanzinstituten dachten dabei: „Damit werden wir Geld verdienen!“ Warum haben sie damit nicht mehr Wohlstand geschaffen, sondern 2006 eine globale Finanzkrise verursacht?
Warum geht mir der Kaffee aus?
Laut LoA sollte ich nie erleben, dass mir der Kaffee ausgegangen ist, wenn ich fest davon überzeugt bin, dass noch genügend Kaffee im Haus ist. Zeigt das Phänomen des Irrtums nicht, dass es eine Außenwelt gibt, die unabhängig von meinem Denken ist?
Das Geheimnis und möglich Nebenwirkungen
Diese Fragen helfen mir über Das Geheimnis zu reflektieren. Sie handeln besonders von den Konsequenzen, die entstehen können, wenn wir Das Geheimnis umsetzen.
Wozu führt das Sich-selbst-etwas-Vormachen?
Wo ist – laut The Secret – der Ort für authentische, aufrichtige Gefühle? Könnte uns der Rat, unsere Gefühle zu erfinden, gegen Wahrheit und Liebe immunisieren und unsere Menschenwürde mindern?
Wo ist der Platz für Mitgefühl?
Wenn wir Das Geheimnis praktizieren, wird uns das nicht dazu bringen, ausschließlich über unsere eigenen Wünsche nachzudenken?
Werden wir nicht auch Leiden als die eigene Schuld der Leidenden betrachten? Jeder, der leidet, hat sich das gemäß Das Geheimnis selbst zuzuschreiben:
„Whatever you sow, you reap! Your thoughts are seeds and the harvest you reap will depend on the seeds you plant.“ (17)
„Was auch immer Sie säen, das ernten Sie! Ihre Gedanken sind Samen, und die Ernte, die Sie einfahren, hängt von den Samen ab, die Sie pflanzen.“ (17)
Macht dies nicht jedes Opfer eines Verbrechens, eines Unfalls oder einer Krankheit von einem Opfer zu einem Täter?
Wo ist Platz, um anderen zu helfen?
Werden wir unser Herz gegenüber den Bedürfnissen anderer verschließen, die Schmerzen haben?
Es wird uns geraten, einer kranken Person nicht zuzuhören und mit ihr über ihre Krankheit zu sprechen (132) und auch nicht die Not anderer Menschen zu lindern, indem wir einige unserer eigenen Ressourcen (Zeit, Geld, Energie) opfern (118).
Denn warum sollte ich Mitleid mit jemandem haben, der etwas erlebt, das er oder sie ja selbst in sein Leben gezogen haben muss?
Das Geheimnis könnte uns so hartherzig machen wie die Schüler eines Weisheitslehrers aus der Antike. Als sie einen Mann sahen, der blind geboren wurde, drückten sie kein Mitgefühl aus, sondern fragten nach der Ursache: War der Mann blind wegen eigener Schuld blind oder wegen der Schuld seiner Eltern? Wahre Weisheit lehnt diese allzu vereinfachte Sichtweise auf das Leben natürlich ab und hilft! (Diese Geschichte finden Sie im Johannesevangelium, Kapitel 9.)
Werden wir ungeduldig und unzufrieden mit uns selbst?
Wenn Ihr Leben nicht vollkommene Glückseligkeit ist, ist es dann nicht alles Ihre eigene Schuld? War Ihr Glaube nicht ins Wanken geraten? (vgl. 89, 62)
Führt das alles nicht zu einem Mangel an echten, reifen Beziehungen?
Schädigen Sie sich nicht selbst, indem Sie Ihre wahren Gefühle verheimlichen, so tun als ob und sich immer wieder etwas vortäuschen, indem Sie sich selbst die Schuld für jedes einzelne negative Ereignis in Ihrem Leben geben? Wird dies zusammen mit mangelndem Mitgefühl nicht dazu führen, dass Sie unfähig werden, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen?
Gibt es keine echte Liebe?
Wenn wir andere als Objekte betrachten, als Mittel zu unserem eigenen Glück, nicht als wertvoll in sich selbst, wenn wir uns ausschließlich auf uns selbst konzentrieren, wenn ein in sich selbst verzerrtes Leben die logische Konsequenz der Philosophie von Das Geheimnis sein könnte (wenn ich es richtig verstanden habe) – wo ist wahre Liebe zu finden? Brauchen echte Liebe und echte Beziehungen nicht Opfer, die Reife, im Interesse des anderen die eigenen Wünsche zurück zu stellen?
Gibt es keine Gnade?
Das Geheimnis verpflichtet uns:
„Be happy now. Feel good now.“ (179)
„Seien Sie jetzt glücklich. Fühlen Sie sich jetzt gut.“ (179)
Es befiehlt: Tun Sie es! Denken Sie! Fühlen Sie! Seien Sie dankbar! Visualisieren Sie! Zweifeln Sie nicht! Kontrollieren Sie Ihre Emotionen! Kontrollieren Sie Ihre Gedanken!
Das Konzept der Gnade durchbricht diese schreckliche Falle, es durchbricht das Gesetz und das „Tu!“. Es ist wahr, dass in unserem Universum ewige, unerschütterliche Gesetze wirken. Aber sind sie das Einzige, was in unserer Welt am Werk ist? Gibt es keine Gnade?
Wohin mit meinen Fragen?
Fragen helfen über Das Geheimnis zu reflektieren. Alle diese Fragen bringen mich zum Nachdenken. Deshalb habe ich sie Rhonda Byrne gestellt.
Ich stelle meine Fragen an Rhonda Byrne
Ich schickte ihr über das Kontaktformular auf ihrer Website eine Nachricht. Darin stellte ich alle erwähnten Fragen – und noch viele weitere.
Ich erhielt zuerst die Nachricht:
„Ihre Nachricht wurde gesendet. Vielen Dank!“
Später kam eine automatische Antwort, die mich aufforderte, Das Geheimnis noch ein paar Mal zu lesen.
Dann erreichte mich eine weitere Antwort, die persönlicher aussah, mir aber nur mitteilte, dass es so viele Anfragen gäbe, dass ich mich auf eine Antwort gedulden müsse.
Die Antwort aus Rhonda Byrnes Team
Zu meiner Überraschung und Freude erhielt ich zwei Monate später eine lange und persönliche E-Mail von „Das Support-Team“.
Die Person, die mir schrieb, versicherte mir, dass es Antworten auf alle meine Fragen gäbe, sie sich jedoch nicht sicher sei, ob „dieses Forum für eine so umfassende Analyse geeignet“ sei.
Sie war sich auch nicht sicher, ob ich ihrer Antwort gegenüber aufgeschlossen wäre, da sie vermutete, dass ich die Antworten nur als „Munition, um auf uns zu schießen“ verwenden würde.
Obwohl sie vermutete, dass mein Herz und mein Verstand nicht offen seien und daher ein wahrer und sinnvoller Dialog nicht möglich sei, wurden einige meiner Fragen beantwortet – leider keine der oben genannten.
Nach sechs Fragen zweifelte sie wieder meine Aufrichtigkeit an und fragte mich:
„Was ist mit dir, Christian? Gibt es Freude, Liebe, Leidenschaft und Energie in Ihrem Leben?“
Dann empfahl sie mir, einen guten Blick auf Seite 179 von Das Geheimnis zu werfen. Abschließend dankte sie mir fürs Schreiben und sandte mir viele Segenswünsche.
Ich warte also immer noch auf eine Antwort.
Allerdings hat mich diese Antwort dazu gebracht, noch eine viel tiefere Frage zu stellen: Wir suchen nach „Freude, Liebe, Leidenschaft und Energie“. Aber sind diese Dinge das tiefste Geheimnis der menschlichen Existenz? Was ist, wenn das, was wir wirklich brauchen, etwas ist, das wir uns nicht einmal vorstellen können?
MEHR:
Hier gibt es noch mehr zu den Fragen, die helfen über Das Geheimnis zu reflektieren.
Mindert das Ausblenden von authentischen Gefühlen und Aufrichtigkeit Menschenwürde?
Laut Dostojewski ist dies der Fall:
„…Sie sollen sich nicht selbst belügen, das ist das Wichtigste. Der sich selbst Belügende, der auf seine eigene Lüge Hörende, kommt schließlich so weit, daß er überhaupt keine Wahrheit weder in sich noch um sich, mehr erkennt, folglich in Mißachtung seiner selbst und der anderen verfällt. Mißachtet er aber alle und jeden, dann verliert er die Liebe, und um ohne Liebe sich Beschäftigung und Zerstreuung zu verschaffen, frönt er niederen Leidenschaften und rohen Lüsten …“ (Fjodor Dostojewskij, Die Brüder Karamasow, übersetzt von Swetlana Geier, 2. Aufl., Fischer, Frankfurt 2022, 74)
Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Frage der Authentizität und Heuchelei in der Welt, wie sie in Das Geheimnis beschrieben wird, nicht wichtig ist. Da die Außenwelt nur eine Konsequenz meiner Gedanken ist, besteht kein Widerspruch, wenn ich einfach versuche, meine Gedanken und Gefühle zu ändern, anstatt sie und ihre Ursachen zu verstehen, anstatt mich authentisch mit ihnen auseinanderzusetzen. Deshalb trifft der Vorwurf, den Kopf in den Sand zu stecken, nicht zu.
Doch in einer Welt, die äußerlich, real und offen für unsere Taten, aber nicht einfach nur ein Zuckerschlecken ist, ist es wichtig, ehrlich zu bleiben, auch mit den eigenen Gefühlen.
Wer oder was macht die Regeln, wie zum Beispiel das Gesetz der Anziehung?
Diese Regeln können sicherlich nicht von einer Art ursprünglicher, undifferenzierter Singularität stammen. Es muss außer der ursprünglichen „Einheit“ noch etwas anderes gegeben haben, das die Differenzierung verursacht hat – aber nach dem Monismus von Das Geheimnis ist dies unmöglich.
Hier handelt es sich um eine sehr alte Frage im Monismus. In einem vedischen Hymnus wurde sie wohl zum ersten Mal formuliert. Rg-Veda X,129 ist ein philosophisches Gedicht, das den Beginn der Welt als einen sich selbst erzeugenden Prozess nachzeichnet. Aber es stellt diese unbeantwortbare Frage:
„Wer weiß es gewiß, wer kann es hier verkünden, woher sie entstanden, woher diese Schöpfung kam?“ (Rg-Veda X,129.6)
Selbst wenn plötzlich die Möglichkeit eines „Aufsehers“ auftaucht, könnte er kein sicheres Wissen haben:
„Woraus diese Schöpfung sich entwickelt hat, ob er sie gemacht hat oder nicht – der der Aufseher dieser Welt im höchsten Himmel ist, der allein weiß es, es sei denn, daß auch er es nicht weiß.“ (Deutsche Übersetzung von Thomas Barth, http://www.thombar.de/10_lk.htm)
Der Monismus endet in verzweifelter Ratlosigkeit.
Wieso scheint das LoA zu funktionieren?
Neben Placebo-Effekt, sich selbst erfüllende Prophezeiungen, Glück oder Zufall könnte es noch viele alternative Erklärungsmöglichkeiten dafür geben, warum manche Menschen der Meinung sind, dass die LoA für sie funktioniert. Millionen von Menschen weltweit sind überzeugt, dass es mehr Dinge – und Akteure – im Himmel und auf der Erde gibt, als in der Philosophie mancher Menschen geträumt wird. Menschen, die glauben, dass externe, mächtige, spirituelle Kräfte am Werk sind, können zweifellos eine solche alternative Erklärung geben, die mit allen Beobachtungen übereinstimmt.
Um beispielsweise ad hoc eine Theorie aufzustellen, könnte es eine böswillige, unsichtbare, kluge, mächtige Spezies von Kobolden geben, die gierigen und selbstsüchtigen Menschen dabei helfen, ihre materialistischen Wünsche zu verwirklichen, um sie von wichtigeren Dingen abzulenken und ihre Persönlichkeit zu korrumpieren. Das Problem bei beiden Szenarien (LoA und Kobolde) besteht darin, dass es keine direkte Möglichkeit gibt, sie zu falsifizieren.
Gesundheitspersonal und Krankheit
Ärztinnen und Ärzte denken wohl viel mehr an bestimmte Krankheiten als an Gesundheit. Ihre Gedanken sollten also all diese Krankheiten anziehen. Aber das tun sie nicht. Insgesamt erkranken Ärzte seltener als die Gesamtbevölkerung. Sie haben in vielen Bereichen ein geringeres Risiko, aber ein höheres Risiko für Autounfälle und andere Unfälle, Depressionen und Selbstmord – alles Dinge, die nicht unmittelbar mit den alltäglichen Krankheiten zu tun haben, an die Ärzte im Allgemeinen denken.
„As a group, doctors are somewhat less likely to suffer from lifestyle-related illness such as heart disease and illnesses linked to smoking. But doctors also have much higher rates of psychological and psychiatric illness, drug related problems including alcohol; and tragically, greatly increased rates of suicide.“
„Als Gruppe leiden Ärzte etwas seltener an lebensstilbedingten Krankheiten wie Herzerkrankungen und Krankheiten, die mit dem Rauchen in Zusammenhang stehen. Aber Ärzte haben auch viel höhere Raten an psychischen und psychiatrischen Erkrankungen, drogenbedingten Problemen einschließlich Alkohol; und tragischerweise stark erhöhte Selbstmordraten.“ (Narelle Shadbolt, Is Being a Doctor Bad for Your Health? http://www.mga.usyd.edu.au/radius/2009/mar.pdf. Die Autorin war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Dozentin der Fakultät für Medizin, Fachrichtung Allgemeinmedizin und stellvertretende Dekanin für Studierendensupport an der Universität Sydney.)
Fragen helfen über Das Geheimnis zu reflektieren. Gebrochene Harmonien tauchen auf. Unsere Realität erhebt Einspruch. Die Konsequenzen sind nicht attraktiv. Aber vor allem bringt mich diese Frage zum Nachdenken: Was, wenn wir etwas brauchen, das wir uns nicht vorstellen und nicht wünschen können?