Spricht das Böse gegen den biblischen Gott?

Das logische Argument des Leids entkräften

Das logische Argument gegen Gott aus dem Leid hat folgende Form:

(1)       Ein vollkommen (1a) guter und (1b) allmächtiger Gott existiert.

(3)       Wenn Gott gut ist, will er eine Welt ohne Leid schaffen.

(4)      Wenn Gott allmächtig ist, kann er eine Welt ohne Leid schaffen.

(2)       Leid existiert.(2b: es ist ungleich verteilt. 2c: es gibt zu viel und grauenhaftes Leid.)

(Schluss)       Ein vollkommen guter und allmächtiger Gott existiert nicht.

Stimmen diese Prämissen?

Traditionelle Antworten ändern oder hinterfragen oder verneinen die einzelnen Prämissen, um das Argument zu entkräften:

(1a) und (3): Was bedeutet „gut“ und kann man gut sein und Leid ermöglichen?

Prämissen (1a) und (3) sagen: Ein vollkommen guter Gott existiert und will eine Welt ohne Leiden schaffen. Hier gibt es Versuche, „gut“ anders zu verstehen oder zu erklären, warum ein guter Gott eine Welt mit Leiden schafft.

Ist „gut“ für Gott etwas anderes als für uns?

Dieser Ansatz ist nicht vielversprechend. Sicher, Gott ist kein „Kuschel-Gott“, sondern auch schrecklich (Hebräer 10,31) bzw. verborgen (Psalm 10,1) bzw. „der ganz Andere“. Aber wenn Gott einen ganz anderen Begriff von „gut“ hat, können wir ihm nicht mehr vertrauen – denn wir wissen nicht, was er „gut“ findet. Und es passt nicht zur biblischen Vorstellung, dass seine Gebote gut sind, weil er selbst gut ist – gleichermaßen gut.

Kann Gott gute Gründe haben, eine Welt mit Leid zuzulassen?

Ohne genau sagen zu können, welche Gründe das sind, könnte die Antwort Gottes an Hiob uns für diese Möglichkeit offen machen: Wir wissen einfach nicht, ob Prämisse (3) stimmt.

Christliche Antworten weisen ganz ähnlich das logische Argument gegen Gott zurück, indem sie auf die Naturgesetze verweisen (Natural Law Defense), auf die freie Entwicklung, die Gott der Schöpfung gestattet (Free-Process Defense), auf den freien Willen der Menschen (Free Will Defense) oder auf die Schöpfungsordnung (Creation-Order Theodicy).

(1) und (4): Was bedeutet „allmächtig“ und wann kann man Leid trotz Allmacht nicht verhindern?

Prämisse (1b) und (4) sagen: Ein vollkommen allmächtiger Gott existiert und kann eine Welt ohne Leid schaffen. Hier wird versucht den Begriff der Allmacht (manchmal inklusive „Allwissenheit“) Gottes neu zu verstehen oder zu erklären, warum er keine Welt ohne Leiden schaffen konnte.

Konnte Gott die Leidensgeschichte nicht vorher wissen?

Dieser Ansatz ist ebenfalls nicht vielversprechend. Man müsste davon ausgehen, dass Gott nicht allwissend ist oder dass die Leidensgeschichte der Welt vor der Schöpfung logisch unmöglich gewusst werden konnte. Die Bibel beschreibt Gott aber als allwissend, er wusste bis in kleine Einzelheiten hinein, was passieren würde und wie alles enden würde.

Konnte Gott keine bessere Welt als unsere erschaffen?

Diese Idee wird gewöhnlich mit Leibnitz verbunden.

Hat Gott seine Allmacht völlig aufgegeben bzw. zurückgenommen?

Der Ansatz, Gott habe seine Allmacht völlig aufgegeben, ist ebenfalls nicht vielversprechend. Selbst wenn Gott sich so zurückgenommen hätte, wäre das keine Lösung – denn er hätte immer noch vorher gewusst, wie die Sache sich entwickelt. Weshalb hat er dann die Welt überhaupt geschaffen? Weshalb gerade so? Darüber hinaus steht diese Idee im Widerspruch zur biblischen Offenbarung.

Der Philosoph Kierkegaard geht davon aus, dass Gott sich ständig zurücknimmt:

„Das Höchste, das überhaupt für ein Wesen getan werden kann, höher als alles, wozu einer es machen kann, ist dies: es frei zu machen. … Alle endliche Macht macht abhängig. Allmacht allein vermag unabhängig zu machen, aus dem Nichts hervorzurufen, was dadurch inneres Bestehen empfängt, dass die Allmacht sich ständig zurücknimmt.“  (Sören Kierkegaard, Eine literarische Anzeige = Ders., Gesammelte Werke 17. Düsseldorf 1954, 124, zit. n. Stosch, Theodizee, 47-48.)

Auch hier bleibt die Verantwortung für die Erschaffung des Menschen in Freiheit bei Gott. Auf diesem Weg kommen wir nur weiter, wenn die Freiheit ethisch oder sonst wie wertvoller ist als die Abwesenheit von Leid.

(2) Ist Leid anders als bisher gedacht?

Prämisse (2) sagt: Leid existiert. Hier wird traditionell angesetzt, um Leid anders zu verstehen.

wozu Leid gut ist

Hier wird darauf verwiesen, dass Gott Leid zulässt, weil er damit etwas Gutes bewirkt: Schönheit, Erziehung, Prüfung, Tugend, Wissen oder Erkenntnis, Strafe, Liebe und einen Seelenbildungsprozess. Oder es dient der größeren Herrlichkeit Gottes und dem größeren Wohl der Menschen? So etwas ist möglich, aber nicht in jedem Fall plausibel.

Warum Leid nicht so schlimm ist

Hier wird behauptet, Gott ließe Leid zu, aber es sei nicht so schlimm, denn es habe keine eigene Existenz und Gott würde es überwinden – aber wir erfahren nicht, warum Gott es zugelassen hat.

Wie jedes Leid zu etwas noch Besserem führt

„Das größere Gute“-Erklärungen bergen viele Probleme!

Fazit: Viele Prämissen haben Probleme und schwächen das Argument

Es kann also durchaus Gründe geben, warum der gute und allmächtige Gott Leiden zulässt. Viele der traditionellen Erklärungsversuche könnten manchmal wirklich die Erklärung für konkretes Leiden sein. Es ist aber problematisch, alle Leiden auf eine oder mehrere dieser Ziele zurückzuführen. Es ist auch nicht klar, warum es so viel, so schreckliches und so ungleich verteiltes Leiden gibt.