Eine erfüllte Prophetie wäre ein guter Hinweis für die Existenz Gottes. Denn wenn eine Information über ein zukünftiges Ereignis schon bekannt war, könnte die Quelle dieser Information jemand sein, der allwissend ist oder außerhalb unserer Zeit existiert.
Kriterien für erfüllte Prophezeiungen
Um als erfüllte Prophetie durchzugehen, sind ein paar bestimmte Eigenschaften nötig:
Sie darf nicht erst nach dem Ereignis auftauchen. „Das hätt ich Euch schon vorher sagen können!“ ist keine Prophetie, genauso wenig wie „Angeblich hat mein Nachbar das schon vor 5 Jahren vorhergesagt.“
Sie muss aussagekräftig sein. Das bedeutet, einerseits muss sie konkret sein. „Vieles wird sich in der Zukunft verbessern/verschlimmern“ ist nicht konkret genug. Wenn ich sage: „Ich hab ein ungutes Gefühl bei der Sache!“ und später fällt ein Glas zu Boden und zerbricht, macht mich das ebenfalls nicht zu einem Propheten.
Andererseits muss sie auch von etwas sprechen, das nicht absehbar war. Voraussagen über Sonnenfinsternisse zählen nicht.
Sie darf nicht durch bewusste Umsetzung oder Manipulation eintreffen. „Wir werden heuer wieder Meister“, würde für mich nicht gelten, denn es gibt gute Chancen für eine Fußballmannschaft, die bereits Meister war und sich richtig anstrengt, die Meisterschaft erneut zu gewinnen. Für eine Prophetie im religiösen Sinne würde hier das übernatürliche Element fehlen – auch wenn es immer wieder Fußballwunder gibt.
Übers Ziel hinausschießen
Es ist leicht, bei der Suche nach erfüllten Prophetien zu übertreiben, wenn man sie richtig gerne finden möchte. Gläubige haben in der Bibel immer wieder Aussagen wahrgenommen, die sie als Prophezeiungen Gottes betrachtet haben. Bei genauerem Hinsehen könnte aber ganz was anderes dahinter stecken. Viele der behaupteten Prophetien sind nicht spezifisch oder unwahrscheinlich genug.
Nachweislich vor den Ereignissen bekannt
Christen haben immer wieder behauptet, es gäbe Prophetien, die sich in Jesus Christus erfüllten. Damit ist zumindest das erste Kriterium erfüllt. Die angesprochenen Aussagen stammen aus dem ersten Teil der Bibel. Diese Texte des sogenannten Alten Testaments sind nachweislich hunderte Jahre vor Christi Geburt entstanden. Das belegen zum Beispiel Funde in Qumram, griechische Bibelübersetzungen aus vorchristlicher Zeit, Erwähnungen der Bücher, die sie enthalten in anderen Büchern.
Die Kontur im Rahmen der Story
Die Texte der Bibel enthalten Verheißungen – Versprechen Gottes. Sie wurden aber nicht geschrieben, um moderne Prophetiebeweise zu ermöglichen. Sie kommen immer wieder im Rahmen der Geschichte, die die Bibel erzählt vor.
Die Story der Bibel (Kurzfassung mit Fokus auf verheißungsvolle Versprechen)
Diese Geschichte handelt von einem Gott, der Menschen liebt und leitet. Er schenkt ihnen ein wahres Paradies, aber sie sagen zu ihm „Nein“. Damit scheißen sie für sich Gottes Liebe und Leitung auf den Müll. Gott ist die einzige Quelle von Licht, Liebe und Leben, wenn Menschen ihn ablehnen oder ignorieren führt das zum Zerbrechen der Liebe, Erlöschen des Lichts und zu Schuld. Bald gehen die Menschen aufeinander los und es geschieht der erste Mord.
Aber Gott verspricht, dass er nicht aufgibt und was tun wird gegen das Böse. Gleich im Anschluss an diese erste Ohrfeige des Menschen für Gott kommt auch das erste verheißungsvolle Versprechen. Deswegen handeln die Prophetien der Bibel nicht von Relativitätstheorie oder Quantenphysik, sondern von Gottes Liebe und seinem Plan, Menschen wieder in seine Liebe zu holen.
Gott sagt in der Geschichte zur Schlange, dem personifizierten Bösen:
Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: …Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. (Genesis 3,15)
Gott verspricht, dass ein Nachkomme der Frau der Schlange den Kopf zertreten wird, auch wenn die Schlange ihn vergiften wird. Die Ansage lautet: Der Nachkomme der Frau wird das Böse besiegen durch sein Leid.
Und zu dieser allerersten Ansage kommen noch viele, viele dazu! Auf diesem Hintergrund formt sich langsam in der Bibel ein Bild heraus:
Der Schlangenzertreter soll aus der Nachkommenschaft Abrahams (Genesis 12,3; 15,5), dem Stamm Juda (Genesis 49,10), und der Familie von König David (2.Samuel 7,12f) kommen. Ein Freund wird ihn für 30 Silberstücke verraten. Von denen wird dann der Töpferacker gekauft (Psalm 41,10; Sacharja 11,12-13, vgl. Matthäus 27,7). Er wird den Bruch zwischen Gott und Mensch durch seinen Tod wieder heilen (Psalm 22, Jesaja 53, Daniel 9,26; Sacharja 12,10). Der Retter wird aus den Toten auferstehen (Psalm 2,7; 16,10).
In Jesus erfüllen sich die verheißungsvollen Versprechen Gottes. Er verspricht selbst, jedem Menschen, der ihm vertraut, als Kind in Gottes Familie aufzunehmen und ewiges Leben zu geben. Er verspricht, dass er wieder kommen wird, um das Böse endgültig zu richten und eine neue Welt ohne Leid mit zu bringen.
Konkret genug?
Viele dieser Aussagen treffen auf viele Personen zu (Abraham hatte viele Nachkommen). Andere sind von der christlichen Bewegung erst im Nachhinein mit Jesus Christus in Verbindung gebracht worden. Erst als sie in Jesus einen geeigneten Kandidaten gefunden hatten, dachten sie: „Aha, so war das gemeint! Wir haben gewusst, dass es hier um den Retter geht, wir haben aber nicht gewusst, wie genau das gemeint war.“
Ein Beispiel dafür wäre:
Sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Psalm 22,17
Jesus-Anhänger sagten dann: „Ach so – die Hände und Füße von Jesus Christus wurden am Kreuz ja tatsächlich durchbohrt!“

Bild: wikimedia.org
Solche Prophezeiungen zeichnen also eher eine Kontur. Sie sind oft wenig konkret oder erst im Nachhinein als konkret unter gewissen Bedingungen erkennbar. Trotzdem lohnt sich die Frage, ob es andere Kandidaten gäbe, die in den vorgezeichneten Hintergrund passen. Jesus Christus schien vielen Gläubigen sehr gut zu derartigen Aussagen zu passen.
Konkret und nicht fabriziert: Geburtsort Bethlehem
Um das Jahr 700 vor Christus wirkte der Prophet Micha. In seinem Buch steht:
Aber du, Betlehem-Efrata, …, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. (Micha 5,1)
Das heißt, aus Bethlehem wird ein König kommen. Er regiert im Auftrag Gottes und seine Vorgeschichte reicht weit, weit zurück.
Dieses verheißungsvolle Versprechen Gottes sagt: Der versprochene Retter wird nicht irgendwo hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen geboren werden, sondern in Bethlehem.
Jesus wurde in Bethlehem geboren. Es war nicht ihr Plan, sie kamen als Spielbälle der Weltpolitik dort an. Der Historiker Andreas Gerstacker kommt zu dem Schluss:
„Die Erzählung des Lukas über den Zensus und die dadurch ausgelöste Reise Josephs und Marias nach Bethlehem … kann … als historisch zuverlässig beurteilt werden.“ (Gerstacker 2016, 32)
Ein rätselhafter Zeitplan
Das Buch Daniel wird verschieden datiert. Aber in jedem Fall ist es lange vor Christi Geburt entstanden. Für das Jahr 539 vor Christus spricht es von dem Propheten Daniel, der auf die Befreiung aus der sprichwörtlichen babylonischen Gefangenschaft wartet und hört:
Siebzig Wochen [7er] sind für dein Volk und für deine heilige Stadt bestimmt, bis der Frevel beendet ist, bis die Sünde versiegelt und für die Schuld Versöhnung erwirkt ist, bis ewige Gerechtigkeit gebracht wird, bis Visionen und Weissagungen besiegelt werden und das Allerheiligste gesalbt wird.
Nun begreif und versteh: Von der Verkündigung des Wortes über die Rückführung des Volkes und den Wiederaufbau Jerusalems bis zur Ankunft eines Gesalbten, eines Fürsten, sind es sieben Wochen [7er]; und zweiundsechzig Wochen [7er] lang baut man die Stadt wieder auf mit ihren Plätzen und Gräben, obwohl es eine bedrängte Zeit sein wird.
Nach den zweiundsechzig Wochen [7er] wird ein Gesalbter umgebracht, aber ohne Richterspruch. … (Daniel 9,24-26)
Daniel hört was von „70 Siebener“ bis zur „ewigen Gerechtigkeit“. Aber vorher, wird ein Gesalbter umgebracht:
Nach den zweiundsechzig Wochen [7er] wird ein Gesalbter umgebracht, aber ohne Richterspruch. … (Daniel 9,26).
„Gesalbter“ ist dasselbe Wort wie „Messias“ oder „Christus“.
Daniel gibt seinen Leserinnen und Lesern zwei Informationen, mit denen sie nicht gerechnet hätten: Christus wird umgebracht. Und es dauert, wenn man alles zusammenrechnest, 69 „Siebener“.
Die meisten Ausleger denken, dass Daniel von 69 Mal sieben Jahren spricht. Natürlich haben verschiedene Theologinnen und Theologen verschiedene Rechnungen. Die Plausibelsten starten im Jahr 445 v. Christus, als der persische König Artaxerxes verkündigte, dass Jerusalem wieder aufgebaut werden soll (Nehemia 2,1-9). Und sie landen erstaunlicherweise auf die eine oder andere Art in den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts – genau die Zeit, in der Jesus Christus am Kreuz gestorben ist.
Dieses verheißungsvolle Versprechen Gottes sagt: Der versprochene Retter ist ein Gesalbter, der um die Zeitenwende geboren wird und die Schuld wegnimmt. Welche Kandidaten dafür gibt es? Diese Beschreibung passt wieder sehr gut zu Jesus Christus.
Eine seltsame Geburt
Vom Propheten Jesaja wurde höchstwahrscheinlich eine Tonscherbe ausgegraben. Ungefähr im Jahr 735 v.Chr. sagt er:
Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben. (Jesaja 7,14)
Zwei übernatürliche Dinge werden versprochen: Der Sohn wird von einer Jungfrau geboren. Das hebräische Wort (עַלְמָה ʿalmah) bezeichnet eine unberührte junge Frau im heiratsfähigen Alter (Genesis 24,16.43; Ex 2,8) und deswegen wurde es auch in der griechischen Übersetzung lange vor Christi Geburt mit παρθένος (parthenos) wiedergegeben, das heißt Jungfrau. Und der Sohn heißt „Immanuel“ (עִמָּנוּאֵל) – das bedeutet: „Gott mit uns“. Jesaja prophezeit letztlich eine übernatürliche Geburt von einem übernatürlichen Kind.
Es war bekannt, dass mit der Geburt von Jesus was ungewöhnlich war. Das siehst Du, wenn die Gegner von Jesus zu ihm (höhnend) sagen:
Wir sind nicht unehelich geboren, wir haben einen Vater: Gott. (Johannes 8,41).
Auch Paulus erwähnt keinen biologischen Vater und schreibt so umständlich über Jesus:
Geboren von einer Frau (Galaterbrief 4,4)
Matthäus berichtet, dass Josef Maria wegen der Schwangerschaft verlassen wollte – er wusste, dass er selbst nicht der Vater war und glaubte die Erzählung seiner Verlobten zuerst nicht.
Jesus hatte eine ungewöhnliche Geburt – und er war anders als andere Menschen.
Erfüllte Prophetien
Ein Baby kann seinen Geburtstag und Geburtsort nicht bewusst aufgrund uralter Literatur auswählen.
Wenn es Gott gibt, dann sieht er unsere ganze Geschichte vor sich und kann immer wieder eingreifen. Dann kann er auch schon vor den Ereignissen sagen, was passieren wird. Er legt einen Auftritt mit Ansage hin. So werden seine verheißungsvollen Versprechen zu einem guten Grund, seine Existenz ernst zu nehmen. Wenn es erfüllte Prophetien gibt, spricht das wirklich für die Existenz Gottes, für einen Gott, der handelt und spricht.
Natürlich hat die Diskussion über Jesus nicht mit diesen Überlegungen aufgehört. Auch nicht die Diskussion darüber, was die einzelnen Aussagen wirklich behaupten und versprechen.
Trotzdem entsteht quer durch die Bibel eine Kontur, in die Jesus Christus hinein passt. Er ist auch der einzige Kandidat dafür.
Mehr
Literatur
Kenneth D. Boa, Robert M. Bowman, Jr., Macht es Sinn, an Gott zu glauben? Argumente für die Existenz Gottes. Verlag C.M.Fliß, Hamburg 2006. 117-129: Das Argument der erfüllten biblischen Prophetien.
Andreas Gerstacker, Was geschah an Weihnachten? Ein Historiker untersucht die Geburt von Jesus nach dem Lukasevangelium, SMD, Marburg 2016. (https://www.begruendet-glauben.org/medien/buch-gerstacker-was-geschah-an-weihnachten/)
Josh McDowell, Die Bibel im Test. Tatsachen und Argumente für die Wahrheit der Bibel. Hännsler, Neuhausen-Stuttgart, 1998, 7.Aufl. (Die messianischen Prophetien des Alten Testaments – erfüllt in Christus, 210-261)
Josh McDowell. The New Evidence that Demands a Verdict.Thomas Nelson Publishers, Nashville 1999.
John H. Sailhamer, NIV Compact Bible Commentary, Zondervan, Grand Rapids, Mi, 1994.
F.F. Bruce, The Canon of Scripture, IVP Academic, Downers Grove 1988.
Mehr zum vorchristlichen Ursprung der Texte
Die Funde von Qumram: Die Texte stammen von 250 v.Chr. bis 100 n.Chr. (Hier sind fast alle Texte des AT vertreten, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Schriftrollen_vom_Toten_Meer#Biblische_Texte und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Bibelhandschriften_vom_Toten_Meer)
Die griechischen Übersetzungen: Fast seit Gründung 331 lebten Juden in Alexandrien, bis 198 v.Chr. war Alexandrien auch die Hauptstadt (Judäa gehörte zum Ptolemäerreich). Die Juden sprachen dort Griechisch, die Schriften wurden ca 250-150 v.Chr. übersetzt. Zuerst erschien das Gesetz (Pentateuch). Eine Legende bestätigte die göttliche Inspiration der Übersetzung (70/72 Älteste übersetzen unabhängig voneinander wortgleich) (Aristeasbrief, Philo: Leben Moses 2.57, Augustinus Civ.Dei XVIII.42) Das gilt aber nur für die Thora, erst Christen weiten die Inspiration der Übersetzung auf das gesamte AT aus.
Erwähnungen der Bücher: Sirach 44-49 (entstanden rund 180 v.Chr. erwähnt mindestens 16 kanonische Bücher. „Als Abfassungszeitraum gelten die Jahre von 180 bis 175 v. Chr. Das Buch soll mehrere Jahrzehnte später von einem Enkel Sirachs in Ägypten ins Griechische übersetzt und mit einem Vorwort versehen worden sein.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Jesus_Sirach)
Weitere Hinweise auf die Datierung lange vor Christi Geburt sind:
Kalender in 1Hen (3. Jh. v.Chr: mind. 10 kanonische Bücher), , Entstehung der Gruppen (Pharisäer, Sadduzäer, Essener) laut Josephus vor 143 v.Chr.: keine Veränderung mehr.
Judas Makkabäus (165 v.Chr.) sammelte Schriften (2Makk 2,14-15). Während der Verfolung unter Antiochus Epiphanes war der Besitz eines Buch des Bundes mit Todesstrafe bedroht (1.Makk 1,57) und viele Bücher wurden zerstört, die später wieder ersetzt werden mussten. Vermutlich wurden die gesammelten Bücher (2. Makk 2,13ff) im Tempel aufbewahrt. (Jedenfalls hat Vespasian ein Buch aus dem Tempel in einem Triumphzug mitgeführt und auch Josephus erhielt ein Buch aus dem Tempel als Geschenk von Titus nach der Zerstörung des Tempels.) (vgl. Bruce 38)
Oder vielleicht war es Esra? (2Esdra 14, 2Makk 2,13): , 2Esr 14 (1.Jh. n.Chr): Gott hat Esra die Bücher diktiert. Laut 2Makk 2,13 ( das „in seiner heutigen Fassung in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor Christus entstanden sein dürfte“ https://de.wikipedia.org/wiki/2._Buch_der_Makkab%C3%A4er) stellte Nehemia Bücher zusammen:
„Das alles findet man auch in den Schriften und den Denkwürdigekeiten, die zu Nehemias Zeiten geschrieben worden sind; ferner, wie Nehemia die Bücher über die Könige und Propheten, auch die von David und die Briefe der Könige über Weihgeschenke zusammengebracht und eine Bibliothek eingerichtet hat.“ (2Makk 2,13)
Archäologische Funde wie die Silberamulette von Ketef Hinnom, ca 650 v.Chr. (Textteile aus Nu 6,22-27) oder Papyrus Nash, 2.-1. Jhd. v.Chr, Ex. 20,2-17 + Dt 6,4-5 weisen die Existenz von Teilen des Alten Testamentes nach.
Mehr zu Micha und Bethlehem
Bethlehem war der Ort, wo David Jahrhunderte vorher geboren wurde (um 1000 v Chr). Die unwahrscheinliche Wahl Davids deutet im Vorhinein auf die noch unwahrscheinlichere Wahl von Jesus voraus. Der Messias regiert im Auftrag Gottes („für mich“) und hat uralte Wurzeln – in Davids Geschichte (Neh 12,46; Ps 77,5; Jes 46,10) und vor aller Zeit (ewig – Ps 74,12; Hab 1,12). Der zweite Ausdruck bezieht sich auf die ferne Vergangenheit (= nicht die Ewigkeit). Er wird regieren und er wird ihr Friede sein (V. 4).
Der Historiker Andreas Gerstacker hat den ganzen Weihnachtsbericht von Lukas untersucht und schreibt über den Grund der Reise nach Bethlehem:
„Nimmt man an, dass zumindest Maria und wohl auch Joseph ein Stück Land in oder um Bethlehem besessen haben, würde sich ihre Reise sehr leicht erklären: Maria ging dort hin, um ihren Besitz zu deklarieren, Joseph, um als ihr Vormund zu agieren und um auch sein eigenes Land anzugeben.“ (31)
Der Historiker kommt zu dem Schluss:
„Die Erzählung des Lukas über den Zensus und die dadurch ausgelöste Reise Josephs und Marias nach Bethlehem lässt sich stimmig in diesen Hintergrund einordnen. Sie kann daher als historisch zuverlässig beurteilt werden.“ (32)
Mehr zur Prophetie von Daniel
Selbst bei einer sehr viel späteren Datierung von Daniel ins 2. Jh v.Chr. findet sich diese Prophezeiung noch vor Christi Geburt. Die Qumram-Essener akzeptierten Daniel als kanonisch, sie entstanden 171-167 v.Chr., vor der Unterdrückung durch Antiochus IV Epiphanes (175-164 v.Chr.).
„Was hat die Kreuzigung Jesu mit Sabbatjahren zu tun? Kehren wir zurück zu der Prophezeiung Daniels, dass ein künftiger Herrscher den zweiten Tempel in Jerusalem zerstören wird. In dem Abschnitt, in dem diese Prophezeiung steht, ist die Rede von ‚siebzig Wochen‘ oder, wörtlicher, ‚siebzig sieben‘ (Daniel 9,24-27). Wir wollen im Folgenden diese Prophezeiung im Detail untersuchen. Sie werden sehen — die Mühe lohnt sich! Mit den ‚Wochen‘ sind Jahrwochen gemeint, also Abschnitte von je sieben Jahren, denn zu Beginn des Kapitels (9,2-3) betet Daniel zu Gott wegen der 70 Jahre der Verwüstung Jerusalems, während er direkt nach seiner Prophezeiung der 70 Wochen ‚drei Wochen von Tagen‘ (so wörtlich) fastet (10,2-3); der Ausdruck soll diese Wochen von den Jahrwochen unterscheiden. Auf was beziehen sich diese Jahrwochen? Sehr wahrscheinlich hängen sie mit dem Zyklus der ‚Sabbatjahre‘ im Gesetz des Mose zusammen. Dort war jedes siebte Jahr ein Sabbatjahr, in welchem das Land nicht bestellt werden durfte (3. Mose 25,2-7). Bei der Ankündigung von Gottes Segen und Fluch prophezeite Mose den Israeliten, dass sie im Falle ihres fortgesetzten Ungehorsams aus ihrem Land vertrieben werden würden, das darauf seine Sabbatjahre ‚nachholen‘ würde (3. Mose 26,32-35.43) — eine Prophezeiung, die man zur Zeit Daniels offenbar als Anspielung auf das Babylonische Exil verstand. Die Prophezeiung in Daniel 9 teilt die 70 Jahrwochen (also 490 Jahre) in drei Abschnitte ein: a) ‚sieben Wochen‘, also 49 Jahre; b) ‚62 W0chen‘ (434 Jahre); c) ‚eine Woche‘, also sieben Jahre. In den ersten Abschnitt fällt ein Erlass zum Wiederaufbau Jerusalems ‚mit Plätzen und Gräben‘ (Daniel 9,25). Gemeint ist der Erlass des Perserkönigs Artaxerxes 445 oder 444 v. Chr. (vgl. Nehemia 2,1-8). (Kyrus verfügte 539 v. Chr. zwar den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem [2. Chronik 36,22-23; Esra 1,1-4], aber nicht die Wiedererrichtung der Jerusalemer Stadtmauern.) Die 49 Jahre dieses ersten Abschnitts sind eine deutliche Anspielung auf die Institution des ‚Erlassjahres‘, d. h. des 50. Jahres nach einem Zyklus von sieben Sabbatjahren; im Erlassjahr mussten Schulden erlassen, Besitz zurückerstattet, Sklaven freigelassen werden (3.Mose 25,8-17). Die ersten sieben Jahrwochen in Daniel 9 müssen nicht exakt mit dem Erlass des Artaxerxes begonnen haben; es reicht, dass der Erlass irgendwann in dieser Periode erfolgte. Am besten setzt man diese 49 Jahre mit der Zeit der Wiederaufbauarbeit und Reformen unter Nehemia und Esra in Jerusalem gleich. Die zweite und längste Periode, die 434 Jahre, folgt offenbar direkt auf die ersten 49 Jahre, so dass sich zusammen 69 Siebenjahreszyklen von zusammen 483 Jahren ergeben. Wir wissen nicht mit Bestimmtheit, welche Jahre die Sabbatjahre waren, aber die besten uns vorliegenden Quellen identifizieren das Jahr 162 v.Chr. als das in 1. Makkabäer 6,49.53-54 erwähnte Sabbatjahr. Extrapolieren wir von dort nach vorne und hinten, erhalten wir die folgende Tabelle der 69 Siebenjahreszyklen:
Die 69 –Siebenjahreszyklen
1-7 8-14 15-21 22-28 29-35 36-42 43-49 50-56 57-63 64-69 449-442 400-393 351-344 302-295 253-246 204-197 155-148 106-99 57-50 8-1 v.Chr. 442-435 393-386 344-337 295-288 246-239 197-190 148-141 99-92 50-43 1-7 n.Chr. 435-428 386-379 337-330 288-281 239-232 190-183 141-134 92-85 43-36 7-14 n.Chr. 428-421 379-372 330-323 281-274 232-225 183-176 134-127 85-78 36-29 14-21 n.Chr. 421-414 372-365 323-316 274-267 225-218 176-169 127-120 78-71 29-22 21-28 n.Chr. 414-407 365-358 316-309 267-260 218-211 169-162 120-113 71-64 22-15 28-35 n. Chr. 407-400 358-351 309-302 260-253 211-204 162-155 113-106 64-57 15-8
Man beachte, dass der Erlass des Atarxerxes, der auf 445 oder 444 v. Chr. datiert wird, auf jeden Fall in den ersten Sabbatjahrzyklus fällt, selbst wenn die Jahreszahlen um zwei oder drei Jahre anders liegen sollten. Die Analyse hängt also nicht von einer punktgenauen Datierung ab. Aber jetzt zum letzten, dem 69. Zyklus: Er umfasst die Zeit von 28 bis 35 n. Chr. Was sollte zu dieser Zeit geschehen? Daniels Prophezeiung lautet: ‚Und nach den zweiundsechzig Wochen wird ein Gesalbter [Messias] ausgerottet werden und nicht mehr sein‘ (Daniel 9,26). Es hilft unserem Verständnis dieses Satzes, wenn wir um einige sprachliche Besonderheiten des Hebräischen wissen. Im Hebräischen bedeutet die Wendung ‚ausgerottet werden‘, dass jemand getötet wird – genauer gesagt: als Vollzug eines Gerichtsurteils hingerichtet wird (vgl. 1. Mose 17,14; 2. Mose 12,1519; 3. Mose 17,14; 4. Mose 15,31 u. a.). Es ist auch wichtig, um die Zählweise der alten Juden zu wissen; der Ausdruck ‚nach x Tagen‘ bedeutete ‚am x. Tag‘ (vgl. z. B. Matthäus 20,19 mit 27,63). Was Daniel in 9,26 aussagt, ist also, dass während der 69. seiner 70 Jahrwochen der Messias hingerichtet werden wird. Sie merken schon, wohin die Reise geht. Genau in diese Zeit (28-35 n. Chr.) fällt das öffentliche Wirken Jesu Christi, und zu dieser Zeit wurde er auch gekreuzigt. (Die Theologen sind sich nicht einig, ob das Kreuzigungsjahr 30 oder 33 n. Chr. war, doch dies ist für unsere Zwecke unerheblich). Und warum wurde Jesus hingerichtet? Weil einige der führenden Juden ihm vorwarfen, sich als den ‚König der Juden‘ bezeichnet zu haben (Matthäus 27,11.37 und Parallelstellen). ‚König der Juden‘ war das politische Äquivalent für den hebräischen Titel Messias (‚Der Gesalbte‘), der in griechischer Übersetzung Christos lautet (Lukas 23,2). Jesus wurde also hingerichtet, weil er behauptete, der Messias zu sein, und dies geschah in exakt der Sieben-Jahres-Periode, die in der Prophezeiung in Daniel 9 vorhergesagt wird. Selbst das von den bibelkritischen Gelehrten angesetzte Abfassungsdatum des Buches Daniel liegt noch volle zwei Jahrhunderte vor der Kreuzigung Jesu. Möglicherweise ist dies unter allen erfüllten Prophetien der Bibel die erstaunlichste – vor allem dann, wenn es (wie wir in den folgenden Kapiteln noch sehen werden) unabhängige Belege dafür gibt, dass Jesus in der Tat der Messias war.“ Boa/Bowman (126-127)
„Up to this point, the theme of the establishment of God’s eternal kingdom has been the central focus of the writer. His emphasis has been on the gradual decline of human kingdoms and the expectation of the sudden rise of the divine kingdom. The question … is the time of its fulfilment. … Daniel now provides the answer to this question by extending the seventy years of [410/411] Jeremiah’s prophecy by a multiple of seven. An anointed one will come to establish an eternal kingdom after a time of seven and sixty-two weeks. With this chapter also comes the new idea of a delay in the establishment of the divine kingdom. When the Anointed One does come to establish the kingdom, he will be cut off; thus the fulfilment of the vision in Jeremiah is to be extended still further into the future, to the seventieth week. … the starting point is not specified. … Fortunately, the author of Nehemiah provides the date of the twentieth year of King Artaxerxes (445 B.C.) as the time when the word was issued to rebuild the city of Jerusalem (Ne 2:1-9).“ (Sailhammer 410-411)
Mehr zu Jesaja
„The sign was a promise of a son of David born of a virgin. The child would be born in a time of distress for God’s people when they would be under the rule of an oppressor much like the king of Assyria (vv. 14-15). It was a sign of blessing and salvation, however, since the birth of that child would be a sign that God was with his people Israel (‚Immanuel,‘ i.e., ‚God with us‘). Having given Ahaz and his descendants the sign, Isaiah then foretold the coming of the Assyrians as a divine appointed instrument of wrath (vv.16-25). Henceforth, God’s people would not live freely, but would live under the domination of the great foreign powers. Because Ahaz had rejected God’s offer, the sign was not given for his own day. It was given to the future generations who were to await God’s sending the promised Son.“ (John H. Sailhamer, NIV Compact Bible Commentary, Zondervan, Grand Rapids, Mi, 1994, 364)