Wir brauchen gute Antworten auf die intellektuelle Frage des Leides. Aber wir brauchen auch praktische Antworten.
Wir brauchen eine Antwort auf das persönliche, praktische Böse, das in uns Zielverfehlung, Zerbruch und Schuld hervorruft. Gott befreit uns davon durch Jesus Christus.
Wir brauchen auch eine Antwort auf die Frage: Warum ich? Und: Wie halte ich das aus? Wer leidet, fragt sich vielleicht: Straft Gott mich? Bin ich Gott egal? Ist er da?
Jesus hat dazu keine theoretischen Antworten gegeben, sondern praktische.
Warum ich? Johannes 9 und Lukas 13
Jesus sagt klipp und klar, dass es keinen notwendigen direkten Zusammenhang zwischen einer Krankheit (Johannesevangelium 9) oder einer konkreten Katastrophe und der Sünde eines Menschen gibt (Lukasevangelium 13,1-4).
Aber er mahnt zum Umdenken: Bin ich auf einem gefährlichen, falschen Weg? Gibt es Gründe, Menschen oder Gott um Vergebung zu bitten? Jesus mahnt zur Umkehr – wo sie nötig ist.
Wie halte ich das aus? Johannes 11
Jesus zeigt, dass wir und unser Leid ihm nicht egal sind. Er macht Hoffnung. Er ermutigt zum Vertrauen.
Ein Bericht aus dem Johannesevangelium (Kapitel 11) zeigt das deutlich. Es geht darin um Leid, Trauer und Hoffnung. Ein Freund von Jesus namens Lazarus wird krank und stirbt.
Die Reaktion von Jesus darauf hilft, ihm auch im eigenen Leid zu vertrauen. Der Gott, der sich hier vorstellt, kann uns helfen, ihm zu vertrauen.
Gott liebt uns, auch wenn wir leiden
Er liebt Lazarus
Lazarus war ein Mensch, den Jesus geliebt hat. Jesus war ein Freund von ihm und seinen zwei Schwestern:
Jesus liebte Marta und ihre Schwester und Lazarus. (Johannesevangelium, Kapitel 11,5)
Jesus nennt Lazarus seinen Freund:
Unser Freund Lazarus… (11)
Er wird um Hilfe angefleht.
Sein Freund Lazarus wurde krank. Und die Schwestern wenden sich an Jesus. Sie bitten um Hilfe:
Herr, der, den du lieb hast, ist sehr krank. (3)
Er erhört das Gebet nicht.
Aber Jesus erhört das Gebet nicht. Er liebt Lazarus und seine Schwestern und er weiß, was los ist (11-14) und er tut trotzdem nichts.
Er lässt bewusst zu, dass Lazarus stirbt.
Als er von seiner Krankheit erfahren hatte, blieb er noch zwei Tage, wo er war. (6)
Er wartet, bis Lazarus stirbt:
Danach sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Unser Freund Lazarus ist eingeschlafen. Aber ich werde hingehen und ihn aufwecken.« Sie antworteten: »Herr, wenn er schläft, dann geht’s ihm bald besser.« Jesus hatte jedoch von seinem Tod gesprochen; sie aber meinten, er rede nur vom Schlaf.
Da sagte Jesus ihnen ganz offen: »Lazarus ist tot.« (11-14)
Warum? Weil er noch größere Ziele hat:
Als Jesus das hörte, sagte er: »Diese Krankheit führt nicht zum Tod. Sie dient dazu, die Herrlichkeit Gottes offenbar zu machen; denn durch sie wird der Sohn Gottes zu seiner Herrlichkeit gelangen.« (4)
»Lazarus ist tot. Und euretwegen bin ich froh, dass ich nicht bei ihm war. So wird euer Glaube gefestigt. Aber gehen wir jetzt zu ihm!« (15)
Er erhört das Gebet nicht.
Viele Gläubige erleben, was die Lazarus und seine Schwestern hier erleben. Voller Vertrauen wenden sie sich an Jesus. Er hat ja schon oft geholfen.
Aber dieses Gebet erhört er nicht. Er lässt das Leid zu. Obwohl er Lazarus liebt.
Auch für uns gilt: Gott liebt uns, auch wenn wir leiden. Wenn wir leiden, liebt er uns doch. Er weiß, wie es uns geht und er lässt Leid zu. Wir wissen nicht, was sein nächster Schritt ist. Wir wissen aber, dass er uns liebt. (Das wissen wir nicht nur, weil er es sagt, sondern auch weil er es am Kreuz beweist.)
Deswegen geh mit Deinem Leid zu Gott
Die Schwestern gehen mit ihren Fragen und ihrer Trauer und Verzweiflung direkt zu Jesus. Das ist gut und richtig, wie sie reagieren. Die erste Schwester, Marta, sagt zu Jesus:
Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben. (21)
Die zweite Schwester, Maria, sagt:
Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben. (32)
Einige Zuschauer fragen sich etwas Ähnliches:
Dieser Mann hat doch einen Blinden geheilt. Warum konnte er Lazarus nicht vor dem Tod bewahren? (37)
War Jesus zu schwach? Hilft er überhaupt? Es ist gut, wenn wir mit diesen Fragen und Gedanken zu Jesus selbst gehen.
Gott hält das aus.
Es kann überaus hilfreich sein, das zu wissen. Und Gott dann wirklich alles zu sagen, was wir uns denken.
Jesus ist die Auferstehung und das Leben
Jesus reagiert auf diese Fragen mit einer erstaunlichen Behauptung:
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Er wird ewig leben, weil er an mich geglaubt hat, und niemals sterben. (25-26)
Jesus behauptet, dass er die Lösung ist für das Leid von Lazarus und seinen Schwestern, für die Fragen der Zuschauer. Für unser Leid. Für den Tod von jedem geliebten Menschen. Und für jeden Tod.
Jesus ist Gott und Gott ist die Quelle des Lebens und wir sind mit diesem ewigen Leben verbunden, wenn wir Jesus vertrauen. Wenn wir ihm Vertrauen schenken, wenn wir ihn als Gott akzeptieren, dann gibt er uns jetzt schon ewiges Leben. Ewig, das heißt, ab dem Zeitpunkt, wo im Vertrauen als Herr angenommen wird, ist das ewige Leben ewig da.
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben…“(25)
Stimmt Das?
Um das zu beweisen, weckt er Lazarus vom Tod auf:
Nach diesen Worten rief er laut: »Lazarus, komm heraus!« Der Tote kam heraus; seine Hände und Füße waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Tuch verhüllt. Jesus sagte: »Nehmt ihm das alles ab und lasst ihn nach Hause gehen!« (43-44)
Um zu beweisen, dass er die Auferstehung und das Leben ist, steht er selbst am Ostermorgen im Jahr 30 vom Tod auf. Das ist eine Tatsache, für die es historische Belege gibt. Jesus hat bewiesen, dass er den Tod besiegt und er bietet jedem Mensch ewiges Leben an.
Was folgt daraus?
Es kommt der Tag, an dem Gott die Weltgeschichte beendet. Jesus wird wiederkommen. Er wird die Toten auferwecken. Für alle Menschen, die im Vertrauen auf Jesus gelebt haben und die wir schmerzlich vermissen bedeutet das: Jesus wird sie auferwecken. Und sie werden für immer in Gottes Liebe leben. Auch jetzt gerade geht es ihnen gut – wenn sie ihr Vertrauen auf Jesus gesetzt haben.
Denn nichts kann von der Liebe Gottes trennen, wenn ein Mensch durch sein Vertrauen auf Jesus mit Gottes ewigem Leben verbunden ist:
Ich bin ganz sicher, dass nichts uns von seiner Liebe trennen kann: weder Tod noch Leben, weder Engel noch Dämonen noch andere gottfeindliche Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Himmel noch Hölle. Nichts in der ganzen Welt kann uns jemals trennen von der Liebe Gottes, die uns verbürgt ist in Jesus Christus, unserem Herrn. (Römerbrief 8,38-39)
Es kommt der Tag, an dem wir uns wiedersehen.
Aber wir sind nicht an diesem Tag. Noch nicht. Wir sind zwischen dem Leid und der Hoffnung. Zwischen dem Abschied und dem Wiedersehen.
So wie Marta und Maria und alle die Trauernden vor der Auferweckung des Lazarus.
Jesus weint und gibt Hoffnung
Zwischen Tod und Auferweckung ist die Zeit der Tränen und der Hoffnung. Das ist bei Marta und Maria so in ihrem Leid über ihren verstorbenen Bruder Lazarus. Das ist auch bei uns so. Wir sind in der Zeit vor Gottes Neuschöpfung.
Die Zeit der Tränen
Viele wollen trösten, und viele Tränen fließen:
Die Leute aus Jerusalem, die bei Maria im Haus waren, um sie zu trösten, sahen, wie sie aufsprang und hinauseilte. Sie meinten, Maria wolle zum Grab gehen, um dort zu weinen, und folgten ihr. … Jesus sah sie weinen; auch die Leute, die mit ihr gekommen waren, weinten. (31-33)
Verzweifelte Fragen kommen wieder hoch. Wo warst Du? Warst Du zu schwach? Hast Du uns nicht mehr lieb?
»Herr, wenn du hier gewesen wärst, hätte mein Bruder nicht sterben müssen«, sagte sie zu ihm. (32)
Aber einige meinten: »Den Blinden hat er sehend gemacht. Hätte er nicht verhindern können, dass Lazarus stirbt?«(37)
Hätte Jesus das nicht alles verhindern sollen? Trotzdem wendet Maria sich an Jesus.
Gott sieht unsere Tränen
Jesus sieht unsere Tränen.
Als Jesus die weinende Maria und die Leute sah, die mit ihr trauerten, erfüllten ihn Zorn und Schmerz. (33)
Gott ist unser Leid nicht egal. Das Böse in der Welt macht ihn zornig und es tut ihm weh, wenn er unser Leid sieht. Wenn er unsere Schreie hört.
Gott weint
Als Jesus am Grab steht, passiert etwas schier Unvorstellbares:
Jesus weinte. (35)
Auch Jesus, auch Gott selbst, weint.
Der Gott der Bibel kennt mein Leid nicht nur von außen, wie ein Kameramann, sondern er kennt es durch und durch, auch von innen.
Auch wenn er Leid zulässt, auch wenn er Ziele hat, die wir nicht im Detail kennen, wo wir nicht wissen, was er im nächsten Schritt vorhat, auch wenn er uns durch Leid zur Herrlichkeit bringt, auch wenn er schon weiß, wie er alles wieder gut machen wird: Das Leid ist trotzdem da. Das Böse ist sehr böse. Das Leid ist real. Es ist echt und tief. So tief, dass Gott selbst weint.
Jesus weinte. (35)
Gott leidet mit uns. Jesus sieht unser Leid und unsere Tränen und er leidet mit uns. Er ist nahe und weiß, wie wir uns fühlen. Obwohl er weiß, was er tun wird, weint er. Das Leid ist echt. Der Schmerz ist wirklich tief. Die Tränen sind gut. Jesus weinte – und wir weinen auch.
Wir haben Hoffnung
Wir weinen, aber nicht wie die Menschen, die keine Hoffnung haben.
Wie hilft uns Gott, im Leid zu vertrauen?
- Gott ist da.
Wir haben die Hoffnung, dass Gott da ist. Er verspricht, uns nie zu verlassen:
Gott hat doch gesagt: »Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen.« Wir dürfen also getrost sagen: »Der Herr steht mir bei; nun fürchte ich nichts mehr. Was könnte ein Mensch mir schon tun?« (Hebräerbrief 13,5-6).
- Gott hat Trost.
Wir haben die Hoffnung, dass Gott uns trösten kann. Wir vertrauen einem Gott, der in der Bibel so genannt wird:
Der Vater der Erbarmungen, der Gott allen Trostes. (2. Korintherbrief 1,3)
- Gott erreicht sein Ziel.
Es wird ein Happy End geben, bei Gott im Himmel. Für alle, die ihm vertrauen, gilt:
Das Lamm, das in der Mitte des Thrones steht, wird ihr Hirt sein und sie an die Quellen führen, deren Wasser Leben spendet. Und Gott wird alle ihre Tränen abwischen. (Offenbarung 7,17)
Was hilft?
Gott alles sagen
Es hilft, Gott alles ehrlich zu sagen. Er weiß ohnehin, was wir ihm am liebsten sagen würden: ganz ehrlich, ungefiltert, ohne Zurückhaltung.
Gott hält es aus, wenn man mit ihm schimpft. Wenn man wegrennt und über ihn schimpft, macht das bitter.
Der Prophet Jeremia hat zu ihm einmal sogar gesagt:
Du lässt mich im Stich, wie eine Quelle, die vertrocknet! … Verflucht soll der Tag sein, an dem ich geboren wurde. (Jeremia 15,18 und 20,14)
Gott hält es aus, wenn man mit ihm über ihn schimpft.
Echte Freunde
Wir brauchen Freunde. Menschen, die uns im Leid nicht beseelsorgen, beratschlagen oder sonst irgendwie „behandeln“.
Dabei muss viel Angst überwunden werden:
Viele Leidende haben Angst davor, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Oft stoßen sie auf Unverständnis, dass es ihnen nicht schneller besser geht. So geht es manchen Überlebenden von Terroranschlägen:
Eine Patientin fühlt sich besser am Ort des Anschlags, sie fährt gern nach Nizza, zur Promenade des Anglais. Andere tanzen im Berliner KitKatClub oder schneiden Rosen. Wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, sagen die meisten: „Danke, gut.“ Sie glauben, dass kaum jemand verstehen würde, dass man sich drei Jahre danach noch so fühlen kann, wie sie sich fühlen. Sie fürchten, dass die Leute sagen würden: Aber du tanzt doch. Du gärtnerst doch. (Der Therapeut vom Breitschneidplatz. Über den Psychologen Rainer Rothe, der Opfern der Anschläge von Berlin und Nizza hilft. Zeitmagazin No 52, 11-2019, S. 18-29.)
Viele Freunde haben Angst davor, für Leidende da zu sein. Wir wissen ja nicht, was wir sagen sollen. Das ist oft besser so: Nichts sagen. Sondern einfach da sein. Zuhören. Helfen, wo es passt. Weinen, wenn es geht. Beten.
Wir sind aufgerufen, solche Menschen zu sein.
Kompetente Hilfe
Es gibt Menschen, die besonders gut darin sind, zuzuhören. Die vielleicht sogar zur richtigen Zeit weiterhelfen. Oft haben sie selbst viel Leid erfahren oder auch eine Ausbildung gemacht.
Suchen Sie Seelsorgerinnen oder Seelsorger von anerkannten Kirchen, ausgebildete Beraterinnen oder Berater in ihrer Nähe und rufen Sie an.
Gottes Nähe
Sich mit Jesus zu beschäftigen bringt uns in die Nähe Gottes. In den Evangelien wird er uns vorgestellt. Er weiß, was Schmerz und Trauer ist. Er ist das
„Lamm, das steht, aber als wäre es geschlachtet worden.“ (Offenbarung 5,6)
Wer diesem Gott nahe kommt, weiß: Er liebt. Er versteht. Er steht.