Das „Netz der Wissenschaft“ ist ein Bild für die wissenschaftliche Methode: Wissenschaft wirft ihr Netz in den Ozean der Realität. Doch was fängt sie?
Die Wissenschaft fängt in ihrem Netz nicht alles.
„Der Physiker Hans Peter Dürr, Nachfolger Heisenbergs als Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts und Gewinner des alternativen Nobelpreises, beantwortete die Frage „Was hat die Wissenschaft mit der Wirklichkeit zu tun?“ einmal mit einem Gleichnis:
Ein Mann sitzt am Ufer eines Flusses und fängt Fische. Ein Wanderer kommt vorbei und fragt ihn, “Was tust Du?”
“Ich fange Fische.”
“Was kannst Du über Fische aussagen?”
“Sie sind alle mindestens 5 cm lang.”
Der Wanderer lässt sich das Netz zeigen. Es hat Maschen mit einem Umfang von 5 cm. Daraufhin sagt er: “Wenn es kleinere Fische als 5 cm gäbe – und ich meine, solche gesehen zu haben -, so könntest du sie nicht fangen, sie würden durch dein Netz hindurch schlüpfen.”
Darauf der Fischfänger mit Selbstbewusstsein: ‚Was ich nicht fangen kann, ist kein Fisch.’“ (Jürgen Spieß, Sind Glauben und Wissenschaft Gegensätze?, http://www.christ-online.de, vgl. auch Jürgen Spieß, Aus gutem Grund, 2. Aufl. Jota, Muldenhammer 2010, 38-39)
Naturwissenschaftler arbeiten auch mit einem „Netz“. Einige Dinge werden sich aus prinzipiellen Gründen nicht in ihren Netzen finden. Bei einem Fischer sind das alle Fische, die kleiner als 5 cm sind. Es sind aber auch noch andere Dinge, wie zu große Fische, das Schiff oder das Meer. Auch die Wissenschaft fängt in ihrem Netz nicht alles.
Jürgen Spieß weist auf zwei Beispiele hin, die Dürr selbst ausgeführt hat:
„Jeder Mensch weiß, dass es Schönheit gibt. … Mit welchem Netz, mit welcher Wissenschaft will man Aussagen über Schönheit machen? Wie will man einem völlig unmusikalischen Menschen die Musik von Bach oder Beethoven näher bringen? Was kann die Wissenschaft darüber für Aussagen machen? Es hat ja keinen Sinn zu sagen, wir benutzen hohe und tiefe Töne. Wer dafür taub ist, wird die Musik dadurch nicht erfassen. Trotzdem weiß jeder Mensch, dass es Schönheit in der Kunst gibt. Man kann zwar alles aus rein naturwissenschaftlicher Perspektive betrachten: Kunstwerke in der Musik und der Malerei, die Liebe zwischen Menschen. Aber hat man damit ihr Wesen erfasst?
Als Zweites nennt Dürr die Gottesfrage. Denken wir uns Gott als denjenigen, der alles geschaffen hat inklusive uns selbst mit all unseren Netzen. Mit welchem Netz, mit welcher Wissenschaft wollen wir ihn einfangen? Die Wissenschaft kann aus prinzipiellen Gründen gar keine Aussagen über Gott machen. Wir könnten über Gott nur Aussagen machen, die mit Gott übereinstimmten, falls Gott über sich selbst Aussagen machte.“ (Jürgen Spieß, Aus gutem Grund, 2. Aufl. Jota, Muldenhammer 2010, 39-40)
Diese Hinweise sind keine Ablehnung der Wissenschaft. Aber es wird deutlich: Mit ihrem Netz fängt sie nicht alles, was es gibt und für uns Menschen wichtig ist.
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Hans-Peter Dürr zitierte diese Parabel oft. Die Netzparabel wurde auch schon Sir Arthur Stanley Eddington verwendet:
Let us suppose that an ichthyologist is exploring the life of the ocean. He casts a net into the water and brings up a fishy assortment. Surveying his catch, he proceeds in the usual manner of a scientist to systematise what it reveals. He arrives at two generalisations: No sea-creature is less than two inches long. (2) All sea-creatures have gills. These are both true of his catch, and he assumes tentatively that they will remain true however often he repeats it.
In applying this analogy, the catch stands for the body of knowledge which constitutes physical science, and the net for the sensory and intellectual equipment which we use in obtaining it. The casting of the net corresponds to observation; for knowledge which has not been or could not be obtained by observation is not admitted into physical science.
An onlooker may object that the first generalisation is wrong. „There are plenty of sea-creatures under two inches long, only your net is not adapted to catch them.“ The icthyologist dismisses this objection contemptuously. „Anything uncatchable by my net is ipso facto outside the scope of icthyological knowledge. In short, what my net can’t catch isn’t fish.“ Or — to translate the analogy — „If you are not simply guessing, you are claiming a knowledge of the physical universe discovered in some other way than by the methods of physical science, and admittedly unverifiable by such methods. You are a metaphysician. Bah!“ (Zitat aus The Philosophy of Physical Science, 1938)