Wahrheit und Toleranz

Intoleranz auf dem Bankkonto

Bild: Piggy Bank von QuinceCreative, Pixabay.com

Den Gedanken der Postmoderne, alle Wahrheitsbegriffe seien gleich gültig und damit gleichgültig, lebt niemand. Er ist auch gar nicht lebbar, weil jeder weiß: Es ist eben nicht gleichgültig, ob ich eine Prüfung bestehe oder nicht. Ob eine Freundschaft gelingt oder nicht. Oder ob ich am Ende des Monats noch Geld habe oder am Ende des Geldes noch Monat. Wir sagen zum Beispiel nicht, wenn die Bank sich bei unserem Kontoauszug zu unseren Ungunsten geirrt hat: »Die Bank sieht das eben so –  ich sehe das anders – jeder hat Recht. Lassen wir es dabei.« Stattdessen dringen wir darauf, dass die Bank die Zahlen auf unserem Kontoauszug so ändert, wie sie der Wirklichkeit entsprechen – vor allem, wenn es zu unserem Vorteil ist. (Jürgen Spieß, Aus gutem Grund, 2010, 20.)

Warum lassen wir den Banker nicht einfach „seine Wahrheit“ haben? Es ist wirklich intolerant, dass wir ihm unsere Sicht der Wirklichkeit aufdrängen. Es ist intellektuell intolerant.

Aber es ist auch vollkommen OK, solange wir gleichzeitig sozial tolerant sind.

Bei Banken und Prüfungen und Freundschaften bestehen wir zu recht auf Wahrheit.

Bei Religionen ist es ebenso richtig, nach guten Gründen für ihre Aussagen zu fragen.

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