Spricht das Böse gegen den biblischen Gott?

Ist Leid „gar nicht so schlimm“?

Manche versuchen, das logische Argument zu entkräften, indem sie sagen: Gott lässt Leid zu, aber Leid ist gar nicht so schlimm und es wird ja auch überwunden.

Das Böse hat keine eigenständige Existenz.

Hier wird manchmal darauf hingewiesen, dass das Böse keine eigenständige Existenz hat. Das Böse ist nur eine Abwesenheit des Guten (Privationstheorie). Wenn man den Gedanken über das Wesen des Bösen folgt, ist das aber keine Erklärung dafür, weshalb wir leiden. Wir fragen uns immer noch, warum Gott diese Abwesenheit des Guten zulässt.

Leid wird überwunden.

Im Blick auf das Ziel der Geschichte, von dem die Bibel berichtet, können wir sagen: Wir werden getröstet bzw. entschädigt.

„Ich bin überzeugt: Was wir in der gegenwärtigen Zeit noch leiden müssen, fällt überhaupt nicht ins Gewicht im Vergleich mit der Herrlichkeit, die Gott uns zugedacht hat und die er in der Zukunft offenbar machen wird.“ (Römer 8,18)

Wird diese versprochene Herrlichkeit alles erlebte Leid überstrahlen? Der Literaturwissenschaftler und Autor C.S. Lewis war sicher:

„[Mortals] say of some temporal suffering, ‚No future bliss can make up for it,‘ not knowing Heaven, once attained, will work backwards and turn even that agony into a glory.“ (C.S. Lewis, The Great Divide)

Wenn wir mit diesen Gedanken Schwierigkeiten haben, dann ist das sehr verständlich, weil unser Leid so tief ist. Kann also nichts das Leiden wieder gut machen?

Woher könnten wir das wissen? Nur Einer hat den Tod und die anschließende Auferstehung durchgemacht und ist zurückgekommen – er kam durch Leid zur Herrlichkeit.

Dieser Gedanke hilft Vielen im Leid weiter.

Aber die Beseitigung des Bösen rechtfertigt nicht seine Existenz. Wieso bringt Gott uns nicht einfach direkt in diesen himmlischen Zustand?

Zukünftige Herrlichkeit als passender Preis für Leid?

Ein Einwand gegen alle Versöhnung und Harmonie im Leben nach dem Tod wird von Dostojewskis Romanfigur Iwan Karamasow formuliert. Es ist für ihn wahrscheinlich, dass im Angesicht der Herrlichkeit Gottes alle Menschen – auch er selbst – sich versöhnen, vergeben und Gott preisen. Aber:

„Ich will aber gar nicht, dass ich dann so ausrufe. Solange es noch an der Zeit ist, beeile ich mich, mich dagegen zu wehren, und deshalb sage ich mich auch völlig los von der höchsten Harmonie. Sie lohnt gar nicht das Tränchen, sei es auch nur eines einzigen gemarterten Kindchens, das sich mit seinem kleinen Fäustchen an die Brust schlug in seiner übelriechenden Höhle, und mit seinen ungesühnten Tränchen zu dem lieben Gott betete! … Ich aber will gar keine Harmonie, aus Liebe zur Menschheit will ich sie nicht. Ich will lieber verharren bei ungesühntem Leiden! … Deshalb beeile ich mich auch, mein Eintrittsbillet (in diese Harmonie, Vf.) zurückzugeben.“ (Fjodor Dostojewski, Die Brüder Karamasow, I. 2 Bände. Frankfurt am Main, 1986, 420f, zit.n. Stosch 32.)

Hart weist daruf hin, dass die Kritik von Ivan Karamasov aus ethischen Gründen geschieht.

„Trotzdem will Ivan weder Harmonie noch die Erkenntnis ultimativer Wahrheit zu solch einem Preis: ‚Um der Liebe zum Menschen willen weise ich sie zurück‘; sogar die letzte Wahrheit ‚ist die Tränen dieses einen gefolterten Kindes nicht wert‘. … Wenn Du allgemeine und endgültige Glückseligkeit herbeiführen könntest, indem du ein kleines Geschöpf zu Tode folterst, wäre der Preis für dich akzeptabel?“ (David Bentley Hart, The Doors of the Sea. Where was God in the Tsunami? Eerdmans: Grand Rapids, 2005, 41-42)

Versuche, alles Leid als etwas Gutes, als angemessenen Preis für Glückseligkeit zu sehen, scheitern an diesem Argument. Allerdings zum Preis, sein „Eintrittsbillet“ zurückzugeben – seine eigene Existenz.

Leid als Preis für Herrlichkeit kann auch nicht der Grund sein, warum der Gott der Bibel Leid zulässt. Er selbst ist gegen das Leid von Kindern stark feindlich eingestellt:

„Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist. … Seht zu, dass ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“ (Matthäus 18, 6.10-11)

Es mag sein – und wegen Jesus gibt es begründete Hoffnung darauf – dass Leid überwunden wird. Aber deswegen wissen wir noch nicht, warum Gott es zugelassen hat.

(Zurück zu Das logische Argument des Leids entkräften.)

Orginialzitat

„But still, Ivan wants neither harmony nor the knowledge of ultimate truth at such a cost: ‚for love of man I reject it‘; even ultimate truth ‚is not worth the tears of that one tortured child.’ … if you could bring about a universal and final beatitude for all beings by torturing one small creature to death, would you think the price acceptable?“ (Hart,41-42)