Gott macht einen Ausweg aus dem Leid. Er gibt sich selbst und er verändert Menschen.
Aber das reicht nicht. Denn was ist mit allen Tätern, die ungestraft davon kommen, was ist mit allen Opfern, die keine Gerechtigkeit erfahren?
Wenn das Leid aufhören soll, dann muss Gericht gehalten werden. Wenn Gott gerecht und gut ist, dann muss er das Böse richten.
Und das tut er auch. (Bei der Frage nach dem Leid handelt es sich um eine Frage an die Zusammenhänge und Sinnhaftigkeit des christlichen Glaubens handelt. Daher kommt hier wieder die Bibel, die Grundlagenschrift dieses Glaubens zur Sprache.)
Gericht am Kreuz
Der erste Teil des Gerichtes findet am Kreuz statt: Die Strafe wird exekutiert und Gott versöhnt die Welt mit sich:
In Christus hat Gott selbst gehandelt und hat die Menschen mit sich versöhnt. Er hat ihnen ihre Verfehlungen vergeben und rechnet sie nicht an. Diese Versöhnungsbotschaft lässt er unter uns verkünden. … Ja, Gott selbst ist es, der durch uns die Menschen ruft. So bitten wir im Auftrag von Christus: »Bleibt nicht Gottes Feinde! Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet!« Gott hat Christus, der ohne Sünde war, an unserer Stelle als Sünder verurteilt, damit wir durch ihn vor Gott als gerecht bestehen können. (2. Korintherbrief 5,19-21)
Gericht am Ende
Der zweite Teil des Gerichtes findet laut Bibel bei der Wiederkunft Christi statt.
Es kommt der Tag, an dem Gott alles Leid beenden wird. Jesus wird ein zweites Mal zur Erde kommen, dann aber nicht als Kind, sondern als Retter, König und Richter. Jesus sagt das so:
Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt, begleitet von allen Engeln, dann wird er auf seinem Herrscherthron Platz nehmen. Alle Völker der Erde werden vor ihm versammelt werden, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie ein Hirt die Schafe von den Böcken trennt. (Matthäusevangelium 25,31-32)
Das ist enorm wichtig. Wie kann es ein Ende des Leidens geben, wenn kein Richter da ist, der Gerechtigkeit herstellen wird?
Der Philosoph Max Horkheimer hat drei Jahre vor seinem Tod darauf hingewiesen. Es gibt eine Sehnsucht nach tiefer Gerechtigkeit, „denkende Menschen“ haben diese Sehnsucht und den Willen,
„… daß dieses Unrecht, daß der eine schuldlos zu Tode gemartert wird, der Henker triumphiert, nicht das letzte Wort sei…“
(„WAS WIR ‚SINN‘ NENNEN, WIRD VERSCHWINDEN“, Spiegel 1, 1970, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45226214.html, 20.4.2020)
Wir sehnen uns nach einer Gerechtigkeit, die in unserer Welt nicht möglich ist:
„Die Sehnsucht nach vollendeter Gerechtigkeit. Diese kann in der säkularen Geschichte niemals verwirklicht werden; denn selbst wenn eine bessere Gesellschaft die gegenwärtige soziale Unordnung ablösen würde, wird das vergangene Elend nicht gutgemacht und die Not in der umgebenden Natur nicht aufgehoben.“ (Max Horkheimer, Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Ein Interview mit Kommentar von Helmut Gumnior, Hamburg 1970, 69)
Für Horkheimer hängt „die wahre Sehnsucht nach einem Besseren“ mit Gott zusammen (75-76). Ohne Gott steht zu fürchten, dass es keine Gerechtigkeit gibt:
„… man sollte nicht von der Sehnsucht sprechen, sondern von der Furcht, dass es diesen Gott nicht gebe.“ (76)
Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keine Gerechtigkeit. Das stimmt.
Aber Gott wird für Gerechtigkeit sorgen. Die Ungerechtigkeit der Welt lässt ihn nicht kalt, er drückt kein Auge zu gegenüber Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch.
Das folgende Gedicht drückt diesen Gedanken aus. Es stammt von Kurt Marty, dem Schweizer Lyriker und reformierten Pfarrer, aus seinem Band „Leichenreden“ (München, dtv, 2004, 67):
das könnte manchen herren so passen
wenn mit dem tode alles beglichen
die herrschaft der herren
die knechtschaft der knechte
bestätigt wäre für immerdas könnte manchen herren so passen
wenn sie in ewigkeit
die herren blieben im teuren privatgrab
und ihre knechte
knechte blieben in billigen reihengräbernaber es kommt eine auferstehung
die anders ganz anders wird als wir dachten
es kommt eine auferstehung die ist
der aufstand gottes gegen die herren
und gegen den herrn aller herren: den tod
Gott wird sein Ziel erreichen, er wird für Gerechtigkeit sorgen, er wird dem Leiden ein Ende machen!
Warum Gott richtet
Weil wir Menschen sind.
Gott richtet, wegen uns. Wegen dem, wer wir sind. Er hat uns zu Wesen gemacht, die Antwort geben. Wir sind verantwortlich und er zieht uns zur Verantwortung für unsere Taten.
Weil er Gott ist.
Gott richtet wegen sich. Wegen dem, wer er ist.
Gott ist Liebe (1. Johannesbrief 4,16)
Wenn Gott wirklich Liebe ist, dann kann er bei bösen Taten nicht einfach mit den Schultern zucken. Das wäre Gleichgültigkeit, keine Liebe. Weil er gut ist, ist er leidenschaftlich gegen das Böse eingestellt. Er drückt kein Auge zu, wenn etwas Böses geschieht, wenn etwas Geliebtes kaputt gemacht wird.
Weil er gut ist, fordert er das Gute. Wer ihn ablehnt, zieht Konsequenzen auf sich.
Wie Menschen dieses Gericht überstehen
Jesus spricht in einem Gleichnis über das Gericht. Der Richter wird zu denen, die keine Beziehung zu ihm haben, die nicht auf ihn vertraut haben, die er nicht kennt, sagen:
Geht weg von mir, alle ihr Übeltäter. Dann wird Heulen und Zähneknirschen sein… (Lukasevangelium 13,27-28)
Oberflächlich betrachtet, hätten wir es vielleicht lieber, dass Gott sagen würde: „Schwamm drüber, drücken wir ein Auge zu, egal, dass Du mich nicht haben willst und man das in Deinem Leben gesehen hast. Du missachtest mich, ich werde Dich trotzdem mit meiner Liebe überschütten und dafür sorgen, dass Du das genießt.“ Aber dann ist Gott nicht mehr Gott und wir nicht mehr wir.
Dabei reicht es laut Jesus nicht, Gott eine Liste von Errungenschaften vorzulegen:
Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel hineinkommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter.“ (Matthäusevangelium 7,21-23.)
Diese Worte von Jesus aus der Bergpredigt zeigen: Jesus nimmt an, dass sich alles an ihm entscheidet. Entscheidend ist, ob Jesus einen Menschen kennt, ob wir in einer vertrauensvollen Beziehung zu ihm stehen. Das wird beim Gericht entscheiden.
Auch noch so viele gute Taten reichen nicht. Das gerechte Urteil für unsere bösen Taten tragen wir entweder selbst. Oder wir akzeptieren, dass Jesus es für uns am Kreuz getragen hat. Dazu braucht es eine persönliche Entscheidung, die Annahme der Vergebung, die Demut, sich vergeben zu lassen, das Vertrauen darauf, was Jesus am Kreuz getan hat. Das ist der der Versöhnung mit Gott und so werden wir das Gericht überstehen.
So bitten wir im Auftrag von Christus: »Bleibt nicht Gottes Feinde! Nehmt die Versöhnung an, die Gott euch anbietet!« Gott hat Christus, der ohne Sünde war, an unserer Stelle als Sünder verurteilt, damit wir durch ihn vor Gott als gerecht bestehen können. (2.Korintherbrief 5,19-21)