Relativismus ist nur relativ gut – das heißt: Wir überlegen, was daran gut ist und wo es Spannungen gibt.
Genauso, wie es verschiedene Facetten und Spielarten des Relativismus gibt, können wir auch verschieden darauf reagieren. Beim Nachdenken über „Ismen“ aller Art (Ideologien und Weltanschauung) – ist es hilfreich, genauer nachzudenken: Was könnte daran gut und wahr sein? Welche Berührungspunkte zu meiner eigenen Weltanschauung sehe ich in diesen Gedanken? Was könnte daran fragwürdig oder fehlerhaft sein? Welche Spannungsfelder oder Konfliktpunkte sehe ich?
Nach diesen Reflexionen ist es gut, sich darüber Gedanken zu machen, wie ich auf den Relativismus reagiere – und noch wichtiger: Und welche Haltung werden Gläubige haben, die anderer Meinung sind? Und wie kommen wir miteinander ins Gespräch? (Bescheiden überzeugt und offen wahrhaftig.)
Berührungspunkte – Was ist gut daran?
Es ist gut, dass der Relativismus uns auf Vieles hinweist: Vielfalt, Zusammenhänge, unsere sprachliche Existenz und Begrenztheit. Relativismus ist in dieser Hinsicht gut.
Vielfalt ist Realität.
Die Vielfalt in den Erscheinungen und Meinungen ist Realität. Selbst Menschen mit starken Überzeugungen in Bezug auf ihre eigene Weltsicht können sie wahrnehmen und sich darüber Gedanken machen. Christen beispielsweise kennen den Gedanken, dass Vielfalt gottgewollt ist. Es ist gut, dass der Relativismus darauf hinweist.
Alles hängt wirklich zusammen: Kausalität und Sprache.
Menschen, Dinge und Ereignisse existieren nicht aus sich selbst. Alles was anfängt zu existieren, hat eine Ursache und ist daher bedingt und kontingent. Für Gläubige ist das ein Hinweis auf eine notwendige Person als erste Ursache.
Wir sind nicht nur in diesem Gewebe von Ursache und Wirkung eingebettet. Wir sind auch in unseren Sprachen verwoben. Für Gläubige ist das ein Hinweis auf einen notwendigen Kontext als ersten Sprecher.
Wir können nicht aus der Sprache ausbrechen, weil Gott der umfassende Kontext ist und alles wegen seinen Worten und ihrer Bedeutung besteht.
„Wir kommen nie aus den Bedeutungen Gottes heraus.“
„We never get outside God’s meanings.“ (Poythress 2009,372)
Wenn wir eine endgültige Antwort auf die Frage suchen, was wir mit einem Wort „eigentlich“ bezeichnen, ist das eine frustrierende Reise, die nie an ein Ende zu kommen scheint. Diese Suche nach einem stabilen Referenten ist aus der Sicht von Gläubigen so frustrierend, weil es nur in Gott letzte Stabilität gibt.
Wir Menschen sind begrenzt: Erkenntnis- und Kommunikationsfähigkeit
Wir haben nicht die letztgültige Gesamtsicht. Als Menschen sind wir nicht in der Lage, alles zu wissen und alles zu erkennen. Dazu sind wir zu begrenzt.
Wir haben die Sprache und die Realität nicht im Griff: Wir können nicht jederzeit alles total richtig sagen und verstehen. Diese Allmacht, diese Allwissenheit ist aus Sicht von Christinnen und Christen nur Gott möglich (vgl. Poythress 2009, 373).
Machtmissbrauch und Hoffnung Auf Ruhe
Weil wir Menschen begrenzt sind, ist falsches schwarz-weiß-Denken ist möglich. Der Relativismus macht uns sensibel für die Möglichkeit von falschen Dichotomien und Polaritäten und Hierarchien.
Der christliche Philosoph und Autor Poythress fordert Menschen heraus, die vom Relativismus geprägt sind. Sie sollen noch misstrauischer gegen Dichotomien werden:
„Man könnte sogar sagen, dass die misstrauischen Ansätze der Dekonstruktion und ihrer Vorläufer bei weitem nicht misstrauisch genug, noch verzweifelt genug, noch radikal genug sind. Sie sind gegenüber dem Grundbedürfnis nach menschlicher Autonomie noch nicht misstrauisch geworden, noch verzweifelt genug, sich der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen, noch radikal genug, um die Radikalität des Kreuzes anzunehmen. Niemand tut es, es sei denn, Gott überwindet seinen Widerstand (Johannes 6,44 und 65).“ (Poythress 380)
Poythress fordert aber auch Gläubige heraus, die zu Komplizen der Macht wurden:
„Und wenn Christen selbst in ihrer gelassenen Akzeptanz des Status quo innerhalb einer umgebenden Mainstream-Moderne selbstzufrieden und kompromissbereit geworden sind, müssen auch sie aufgerüttelt und für ihre Komplizenschaft – unsere Komplizenschaft – kritisiert werden.“ (Poythress 380)
Gläubige haben Hoffnung, denn für sie ist das Evangelium das Gegenmittel:
„Das radikalste Heilmittel von allen ist das christliche Evangelium. Es ist eine gigantische Umkehrung der Polaritäten, in denen gefallene Menschen Zuflucht gesucht haben (Lukas 1,51–53), …“ (Poythress 380)
Es stimmt: Wir kommen nie aus dem Gewebe der Beziehungen heraus.
Für Jesus-Fans liegt das daran, dass Beziehungen die Grundlage von allem sind. Wir gelangen nicht an ein Ende der Beziehungen, weil Beziehungen Teil der tiefsten Realität Gottes ist: Der Jesus-Gott ist ein Beziehungs-Gott, ein Gott in drei Personen, die zu einander in liebevollen Beziehungen stehen und uns in ihre selbstlose Liebe und Ruhe einladen (vgl. Poythress 376).
Konfliktpunkte – Was ist fragwürdig?
Der Relativismus ist an verschiedenen Punkten fragwürdig: Wir können ihn nicht leben, er führt zu absurden und unerwünschten Konsequenzen und negiert wichtige Erfahrungen, die wir täglich machen. Relativismus ist nur relativ gut – und an diesen Punkten zeigt sich, dass er nicht überall richtig liegt.
Alle leben mit absoluten Wahrheiten.
Auch Relativismus ist absolut wahr, auch das Ende der Meta-Erzählungen ist eine Meta-Erzählung, auch Relativismus ist eine Erlösungsgeschichte. Wir entkommen der Tatsache nicht: Alle haben Theorien über die Wirklichkeit, die für sie gültig sind. Alle Weltanschauungen haben Wahrheitsansprüche.
Aber mehr noch, wir leben alle mit der Vorstellung von absoluten Wahrheiten. Jürgen Spieß hat das mit seinem Bank-Konto-Beispiel sehr einleuchtend gezeigt:
„Wir sagen zum Beispiel nicht, wenn die Bank sich bei unserem Kontoauszug zu unseren Ungunsten geirrt hat: »Die Bank sieht das eben so ‑ ich sehe das anders ‑ jeder hat Recht. Lassen wir es dabei.« Stattdessen dringen wir darauf, dass die Bank die Zahlen auf unserem Kontoauszug so ändert, wie sie der Wirklichkeit entsprechen.“ (Jürgen Spieß, 1998,21)
Relativismus ist absurd und führt zu unerwünschten Konsequenzen.
Völliger Relativismus ist überzeugt, dass wir einander nicht verstehen können – also unsere Gedanken „inkommensurabel“ sind. Das ist aber absurd:
„Eine Inkommensurabilitätsthese könnte überhaupt nicht aufgestellt werden, wenn die verschiedenen points of view völlig gegeneinander abgeschlossen wären.“ (Lueken 1992, 126)
Wenn wir uns überhaupt nicht verstehen könnten, dann wären wir gar nicht in der Lage, das festzustellen. Daher ist völliger Relativismus absurd.
Wenn diese Sicht auf die Wirklichkeit sich durchsetzen würde, hätte das noch viele andere unerwünschte Konsequenzen. Wenn alles relativ ist, dann ist auch Ethik relativ. Ethische Beliebigkeit führt aber zur Herrschaft des Stärkeren. Wenn es keine ethischen Maßstäbe gibt, setzt sich am Ende meistens der Mann mit der größten Keule durch. Ethische Beliebigkeit bedeutet aber auch, dass Verbrechen relativiert, Grausamkeiten stehen gelassen, hasserfüllte Ideologien toleriert werden. Universale Menschenrechte könnten keine Gültigkeit mehr beanspruchen und Gräueltaten könnten nicht mehr zu Recht verurteilt und bekämpft werden. (Mehr dazu auch hier – Das moralische Argument von der Existenz Gottes.)
Der polnische Philosoph Lezek Kolakowski schreibt zur Idee von kulturellem und ethischen Relativismus:
„Wer immer in Europa sagt, alle Kulturen seien ebenbürtig, würde es normalerweise dennoch nicht schätzen, dass man ihm für einen Steuerbetrug die Hand abhackt oder ihn der öffentlichen Auspeitschung – beziehungsweise im Falle einer Frau der Steinigung – unterwürfe, falls er mit einer anderen Person als der rechtmäßigen Gattin (beziehungsweise dem Gatten) schliefe. Wenn man in einem solchen Fall sagt: „Das ist das Gesetz des Korans, man muss die anderen Traditionen respektieren“, so sagt man in Wirklichkeit: „Das wäre entsetzlich für uns, aber für die Wilden ist es richtig.“ Man äußert folglich nicht so sehr Respekt als vielmehr Verachtung für andere Traditionen, und zur Beschreibung dieser Einstellung ist der Satz „alle Kulturen sind ebenbürtig“ am wenigsten geeignet.“(Kolakowski 1991, 24f.)
Relativismus verneint unsere alltäglichen Erfahrungen: Sprechen, verstehen und sich irren.
Wir lernen neue Sprachen:
„Spiele werden angefangen und beendet, wir steigen in verschiedene Sprachspiele ein und wieder aus. Diese Phänomene weisen über die Grenzen der Sprache hinaus.“ (Bensel 2007, 31)
Übersetzung ist real:
„Übersetzung ist möglich. Auf diese ‚schrankenlose‘ Eigenschaft der Sprache und der Sprecherinnen hat schon Wilhelm von Humboldt hingewiesen: ‚Denn jede Sprache besitzt die Geschmeidigkeit, Alles in sich aufnehmen und Allem wieder Ausdruck aus sich verleihen zu können. Sie kann dem Menschen niemals und unter keiner Bedingung zur absoluten Schranke werden.‘ (Humboldt 1963, 657)“(Bensel 2007, 32)
Kommunikation ist real:
„Wenn es keine Möglichkeit gäbe, aus seiner eigenen Sprache (und jede Sprecherin hat ihren Idiolekt) „auszubrechen“, würde alle Kommunikation zusammenbrechen. Wittgenstein hat überzeugend gezeigt, dass eine private Sprache nicht existieren kann (vgl. Wittgenstein 1997, 308-409, besonders 356ff., PU §§139-411, besonders §§243ff.). Wenn es nun keine private Sprache gibt, dann gibt es auch keine unüberwindliche Grenze zwischen Idiolekten – dann gibt es Kommunikation.“ (Bensel 2007,32)
Irrtum ist real: Das Phänomen des Irrtums, der auffliegt, zeigt, dass Kommunikation gelingen kann, die Realität der Außenwelt unsere Erkenntnis formen kann. Wir kennen die Erfahrung, dass wir uns geirrt haben.
- Wir haben gemerkt, dass wir jemanden missverstanden haben. Seine echte Absicht wurde uns doch noch klar oder zumindest haben wir verstanden, dass wir sie noch nicht verstanden haben.
- Wir haben gemerkt, dass wir uns getäuscht haben. Wir dachten vielleicht, dass noch Kaffee in der Dose sei – aber sie war leer. Unsere Überzeugung musste sich ändern, denn die Realität ist widerspenstig.
Liebe und Wahrheit schließen sich nicht aus.
Jede Religion und Weltanschauung behauptet exklusive Wahrheit. Das gilt auch für den Relativismus. Aber Relativismus ist nur relativ gut.
Er hat viele Berührungspunkte mit unserer Realität:
- Wir erleben wirklich Vielfalt. Wir existieren in Zusammenhängen und leben in unserer Sprache. Wir sind begrenzt.
Aber an wichtigen Stellen steht der Relativismus in großer Spannung zu unserer Lebenswirklichkeit:
- Aber wir erleben gelingende Kommunikation und die widerspenstige Realität. Wir entkommen der Vorstellung von Wahrheit nicht. Wir wollen nicht in absurden Vorstellungen oder ethischer Beliebigkeit leben.
Relativismus ist nur relativ gut – relativieren wir ihn und suchen wir nach mehr. Relativismus ist für manche so attraktiv, weil er scheinbar das Problem von Arroganz und Machtmissbrauch löst. Diese Problem ist real und besteht in Lieblosigkeit.
Wir brauchen eine Sicht auf die Welt, die Wahrheit und Liebe vereint. Ein extremes Beispiel dafür ist Jesus. Jesus ist gleichzeitig ein Fanatiker der Wahrheit und ein Extremist der Liebe.
Wahrheit und Liebe schließen sich nicht aus. Diese Überzeugung zeigt sich in der Haltung von Menschen, die Jesus folgen: Bescheiden überzeugt und offen wahrhaftig.
MEHR
Zur widerspenstigen Realität
Professor Estanislao Arroyabe an der Universität Innsbruck sagte seinen Studierenden immer wieder in seinen Vorlesungen: Die Realität ist widerspenstig, sie widersteht uns. Ich kann mir noch so lange überlegen, dass diese Tür offen sein muss als Fluchtweg – wenn ich dann dagegen krache, ändere ich meine Meinung. Diesen Gedanken hat er in Anlehnung an den amerikanischen Philosophen C.S. Peirce entwickelt:
„Auch Peirce tendiert eher dazu, das Subjekt zu beachten, obwohl er die Außenwelt keineswegs für nichtig oder hörig erklärt. Jedes ohnehin fragliche Bemühen in diese Richtung scheitert am Phänomen des Irrtums. Somit ergeben sich für Peirce zwei Welten und eine sehr unsichere Korrespondenz zwischen beiden. Es gibt die Außenwelt, und es gibt die subjektive Welt, und die Verbindung zwischen beiden sollte von dieser letzten ausgehen. Der Erfolg ist aber bestenfalls unsicher. (Estanislao Arroyabe, Der Wirklichkeitsbegriff von C.S. Peirce, Dissertation, Innsbruck 1979, 167)
Doch auch Jürgen Habermas sieht eine Rolle für „den Widerruf der Welt“:
“Sprachspiele und Praktiken bewähren sich am weiteren »Funktionieren«, also durch den gelingenden Vollzug selbst. Wenn sie scheitern, spielt die Welt nicht mehr in der erwarteten Weise mit. An diesem praktischen Dementi eines Mißerfolgs, mit dem die Welt performativ ihre Bereitschaft zum Mitspielen widerruft, bildet sich der Begriff der Objektivität. Dieser erstreckt sich einerseits auf die Resistenz einer unverfügbaren Welt, die unseren Manipulationen ihren Eigensinn entgegensetzt, andererseits auf die Identität einer für alle gemeinsamen Welt. Weil sich handelnde Subjekte in ihrer Kooperation gegenseitig unterstellen, daß sich jeder aus seiner Perspektive auf dieselbe Welt bezieht, »gibt es« die Welt nur im Singular.“ (Jürgen Habermas, Richtigkeit versus Wahrheit. Zum Sinn der Sollgeltung moralischer Urteile und Normen, in: Jürgen Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 1. Auflage 1999, 6. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt 2004, 271-318, 318.
C.S.Lewis und der Wasserfall – ästhetischer Relativismus
C.S.Lewis setzte sich in „Die Abschaffung des Menschen“ mit Werte-Relativismus auseinander. Arend Smilde fasst den Gedankengang des ersten Abschnitts so zusammen:
Wenn der moderne Mensch alle Werturteile als subjektiv betrachtet, steht er vor der Wahl zwischen zwei Übeln. Entweder man hofft, dass andere Menschen zumindest einige Werturteile noch für objektiv halten; oder man hofft, dass sie es nicht tun. Die erste Alternative muss zynische Propaganda beinhalten. Dies kann in der Praxis oft aus moralischen Gründen abgelehnt werden, obwohl dies nach subjektivistischer Annahme auf einer Gedankenverwirrung beruht. Die zweite Alternative bedeutet eine Entlarvung unseres gesamten Wertgefühls. Die daraus resultierende Apathie wird als äußerst unangenehm und unheilbar empfunden. (vgl. http://lewisiana.nl/abolsum/)
Lewis beginnt seine Überlegungen mit einem Lehrbuch (er nennt seine Autoren „Gaius“ und „Titius“). Besprochen wird als Beispiel, was eine Reaktion auf einen Wasserfall bedeutet:
In ihrem zweiten Kapitel zitieren Gaius und Titius die bekannte Geschichte von Coleridge am Wasserfall. Sie erinnern sich, dass zwei Touristen anwesend waren: der eine nannte es „erhaben“ und der andere „hübsch“; und dass Coleridge im Geiste das erste Urteil befürwortete und das zweite mit Abscheu ablehnte. Gaius und Titius kommentieren Folgendes: „Als der Mann sagte: „Das ist erhaben“, schien er eine Bemerkung über den Wasserfall zu machen … Eigentlich … machte er keine Bemerkung über den Wasserfall, sondern eine Bemerkung über seine eigenen Gefühle . Was er damit sagen wollte, war, dass ich tatsächlich Gefühle habe, die in meinem Kopf mit dem Wort „erhaben“ verbunden sind, oder kurz: „Ich habe erhabene Gefühle“. aber die Autoren sind noch nicht fertig. Sie fügen hinzu: „Diese Verwirrung ist in der Sprache, in der wir sie verwenden, ständig vorhanden. Wir scheinen etwas sehr Wichtiges über etwas zu sagen, und eigentlich sagen wir nur etwas über unsere eigenen Gefühle.“ (1-2)
… in their second chapter Gaius and Titius quote the well-known story of Coleridge at the waterfall. you remember that there were two tourists present: that one called it ‘sublime’ and the other ‘pretty’; and that Coleridge mentally endorsed the first judgement and rejected the second with disgust. Gaius and Titius comment as follows: ‘When the man said This is sublime, he appeared to be making a remark about the waterfall… Actually…he was not making a remark about the waterfall, but a remark about his own feelings. What he was saying was really I have feelings associated in my mind with the word “Sublime”, or shortly, ‘I have sublime feelings’ here are a good many deep questions settled in a pretty summary fashion. but the authors are not yet finished. They add: ‘This confusion is continually present in language as we use it. We appear to be saying something very important about something: and actually we are only saying some- thing about our own feelings.’ (Lewis, Abolition, 1-2)
Die Theorie, dass Werturteile nicht mit der objektiven, externen Realität verbunden sind, sondern nur Ausdruck meines subjektiven Empfindens, ist weit verbreitet. Lewis kommentiert:
„Bis in die Neuzeit glaubten alle Lehrer und sogar alle Menschen, dass das Universum so beschaffen sei, dass bestimmte emotionale Reaktionen unsererseits entweder damit übereinstimmen oder nicht übereinstimmen könnten – sie glaubten tatsächlich, dass Objekte unsere Zustimmung nicht nur empfangen, sondern auch verdienen könnten, genauso wie unsere Missbilligung, unsere Ehrfurcht oder unsere Verachtung.
Der Grund, warum Coleridge dem Touristen zustimmte, der den großen Wasserfall als erhaben bezeichnete, und dem widersprach, der ihn als hübsch bezeichnete, war natürlich, dass er glaubte, dass die unbelebte Natur so beschaffen sei, dass bestimmte Reaktionen „gerechter“, „richtiger“ oder „angemessener“ sein könnten als andere. Und er glaubte (zu Recht), dass die Touristen dasselbe dachten. Der Mann, der den großen Wasserfall als „erhaben“ bezeichnete, hatte nicht nur die Absicht, seine eigenen Gefühle darüber zu beschreiben: Er behauptete auch, dass das Objekt etwas sei, das diese Gefühle verdiene.“ (7)„Until quite modern times all teachers and even all men believed the universe to be such that certain emotional reactions on our part could be either congruous or incongruous to it — believed, in fact, that objects did not merely receive, but could merit, our approval or disapproval, our reverence or our contempt.
The reason why Coleridge agreed with the tourist who called the cataract sublime and disagreed with the one who called it pretty was of course that he believed inanimate nature to be such that certain responses could be more ‘just’ or ‘ordinate’ or ‘appropriate’ to it than others. And he believed (correctly) that the tourists thought the same. The man who called the cataract sublime was not intending simply to describe his own emotions about it: he was also claiming that the object was one which merited those emotions.“ (Lewis, Abolition, 7)
Zur Frage, woher unser Sinn für Schönheit kommt, finden sich hier Gedanken.
Vern Sheridan Poythress über Dekonstruktionismus
Dekonstruktion kann laut Poythress als exklusive Feld-Perspektive (im Gegensatz zu Teilchen und Wellen-Perspektive) auf Sprache verstanden werden: Alles hängt zusammen, es gibt für Menschen keine letzte Gesamtsicht. (Poythress 2009, 371). Wir können nicht aus dem Text heraus. Das heißt, wir können nicht aus der Sprache ausbrechen, weil Gott der umfassende Kontext ist und alles wegen seinen Worten und ihrer Bedeutung besteht.
“We never get outside God’s meanings.” (Poythress 2009, 372)
„Der Tod des Autors“ kann aus christlicher Perspektive als Protest gegen den gottgleichen Anspruch menschlicher Autorinnen und Autoren (und Leserinnen und Leser) verstehen, die Bedeutung eines Textes vollkommen festzulegen (bzw. zu erkennen) (373). Poythress führt Kaiaphas in Johannes 11,49-53 als Gegenbeispiel an: Er sagte viel mehr, als er beabsichtigte (374).
Der Dekonstruktivismus untergräbt althergebrachte Dichotomien (Polaritäten).
“The desperation and radical suspicion are understandable, because these viewpoints have grasped a half-truth: we are not by nature either normal or spiritually healthy. The most radical remedy of all is the Christian gospel. It is a gigantic reversal of polarities in which fallen human beings have taken refuge (Luke 1:51–53), and people are not likely to consider it seriously unless they are desperate.
The crucifixion of Christ is the supreme reversal. Out of death comes life forever (Rev. 1:18). Out of humiliation comes honor (Phil. 2:8–10). Out of weakness comes power (2 Cor. 12:9–10; 13:4). Out of defeat comes victory (Luke 24:20). Out of suffering comes glory (Luke 24:26). Out of darkness comes light (Luke 23:44; 22:53; John 9:4–5; 12:31–36). Out of judicial execution comes vindication (Rom. 4:25). Out of folly comes wisdom (1 Cor. 1:25). In its interest in reversal, deconstruction has come close indeed, without arriving at the central secret of history.
We might even say that the suspicious approaches of deconstruction and its predecessors are not nearly suspicious enough, nor desperate enough, nor radical enough. They have not yet become suspicious of the root desire for human autonomy, nor desperate enough to cast themselves on God’s mercy, nor radical enough to embrace the radicalityof the cross. No one does unless God overcomes his resistance ( John 6:44, 65).
And if Christians themselves have become complacent and compromised in their placid acceptance of the status quo within a surrounding mainstream modernity, they too need to be shaken up and criticized for their complicity—our complicity. We all fall victim here and there, and the critical voice of others, even if it should contain only a grain of truth in the midst of error, may reveal sin.” (Poythress 380)Die Verzweiflung und das radikale Misstrauen sind verständlich, denn diese Sichtweisen haben eine Halbwahrheit erfasst: Wir sind von Natur aus weder normal noch geistig gesund. Das radikalste Heilmittel von allen ist das christliche Evangelium. Es ist eine gigantische Umkehrung der Polaritäten, in die gefallene Menschen Zuflucht gesucht haben (Lukas 1,51–53), und die Menschen ziehen es wahrscheinlich nicht ernsthaft in Betracht, es sei denn, sie sind verzweifelt.
Die Kreuzigung Christi ist die höchste Umkehrung. Aus dem Tod wird ewiges Leben (Offenbarung 1,18). Aus Demütigung kommt Ehre (Phil. 2,8–10). Aus Schwachheit entsteht Kraft (2. Korinther 12,9-10; 13,4). Aus der Niederlage entsteht der Sieg (Lukas 24,20). Aus Leid kommt Herrlichkeit (Lukas 24,26). Aus der Dunkelheit kommt Licht (Lukas 23,44; 22,53; Joh 9,4+5; 12,31–36). Aus der gerichtlichen Hinrichtung kommt die Rechtfertigung (Röm 4,25). Aus Torheit entsteht Weisheit (1 Kor 1,25). Die Dekonstruktion kommt in ihrem Interesse an Umkehrung tatsächlich nahe gekommen, ohne das zentrale Geheimnis der Geschichte zu erreichen.
Literatur
Christian Bensel, https://www.begruendetglauben.at/category/wahrheit-und-toleranz/
Christian Bensel, Wahrheit und Wandel: Alltägliche Wahrheitsstrategien und Argumentationen in apologetischen Texten. Vdm Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007. (http://sammelpunkt.philo.at/id/eprint/3043/)
Jürgen Habermas, Richtigkeit versus Wahrheit. Zum Sinn der Sollgeltung moralischer Urteile und Normen, in: Jürgen Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 1. Auflage 1999, 6. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt 2004, 271-318.
Timothy Keller, Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? (11.Auflage 2020), Brunnen Verlag, Gießen 2010.
Leszek Kolakowski, Die Moderne auf der Anklagebank, Zürich 1991, 24f.
C.S. Lewis, The Abolition of Man, Samizdat University Press, Québec 2014 (ursprünglich 1943), 1-2. (Abolition of Man. Zusammenfassung hier: http://lewisiana.nl/abolsum/)
Geert-Lueke Lueken, Inkommensurabilität als Problem rationalen Argumentierens (=Quaestiones. Themen und Gestalten der Philosophie 4), frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1992, 126.
Harold A. Netland, „Religiöser Pluralismus und die Wahrheitsfrage“, VTR, Nürnberg 1999.
Friedrich Nietzsche, „Die fröhliche Wissenschaft“, in: Friedrich Nietzsche, „Werke II. Morgenröte. Die fröhliche Wissenschaft. Also sprach Zarathustra“, 6. Auflage, herausgegeben von Karl Schlechta (=Ullstein Buch 2908), Ullstein, Frankfurt 1969., 400ff., II.125.
Vern Sheridan Poythress, In the Beginning was the Word. Language. A God-Centered Approach, Crossway, Wheaton 2009. (https://frame-poythress.org/wp-content/uploads/2012/08/PoythressVernInTheBeginningWasTheWord.pdf)
Jürgen Spieß, „Aus gutem Grund. Warum der christliche Glaube nicht nur Glaubenssache ist“, RBtaschenbuch Bd. 552, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1998.