„Eine korrupte Elite kontrolliert die Medien, raubt uns die Freiheit, sie ist global gesteuert, schleust Flüchtlinge ins Land, badet in Champagner und wird das Blut der Kinder verseuchen.“ Das glaubten 1949 die von Leo Löwenthal befragten Amerikaner, wie Thomas Assheuer in der ZEIT berichtet. Daran glaube ich nicht. Ich glaube nur an eine Verschwörungstheorie. Aber warum glaubten die Menschen an diese Verschwörungstheorien?
Warum glauben die Menschen an Verschwörungstheorien?
Armut oder Benachteiligung waren nicht die Erklärung. Die Befragten waren nicht arm.
„Trotzdem äußerten die Befragten extreme Unzufriedenheit und tiefe Frustration; sie fühlten sich wertlos und unfrei, sie klagten über Fremdbestimmung, Kontrollverlust und das Treiben verborgener Mächte.“ (Thomas Assheuer, ZEIT)
Begünstigende Faktoren sind
„Angst vor Status- und Kontrollverlust, zudem die Sorge, im gnadenlosen ökonomischen Konkurrenzkampf aussortiert zu werden. Gerade die Mittelschicht quäle ein Gefühl ‚geistiger Heimatlosigkeit‘ und sozialer Isolation, verstärkt durch den Zerfall familiärer Geborgenheit und das Schwinden ‚moralischer Maßstäbe‘. Der psychologische Gesamteffekt sei ein ‚chronisches Leiden und ständiges Unbehagen‘.“ (Thomas Assheuer, ZEIT)
So berichtet Assheuer über Löwenthals Studie „Falsche Propheten“. Aber warum verschwanden diese Verschwörungstheorien wieder? Der Antikommunismus wurde laut Assheuer zu einem gesellschaftlich akzeptablem Ventil für diese Leiden. Die damaligen Verschwörungstheorien wurden dadurch überflüssig und gerieten in Vergessenheit.
Die Rückkehr der Ängste – und der Verschwörungstheorien
„Verschwörungstheorien gedeihen v. a. in einem Klima gesellschaftlichen Misstrauens und des Gefühls der Machtlosigkeit.“ (Kai Funkschmidt)
Heute gibt es mehr als genügend Gründe für Ängste, Frust, Sorgen und Unsicherheit.
Wir könnten die erste Generation sein, die keine Ahnung davon hat, was der Sinn des Leben sein könnte:
„Wir leben in einer Phase in der wir zu den Ersten in der Menschheitsgeschichte gehören könnten, die überhaupt keine Erklärung dafür hat, was wir hier tun.“ (Douglas Murray)
Heute werden Menschen wieder als wertlos aussortiert, erleben Kontrollverlust und auch Deutungsverlust: Wer genau hat die Finanz-, Wirtschafts-, Migrations-, Gesundheits-, Werte-, Demokratie- und Klimakrisen ausgelöst, wer genau ist für die Lösung verantwortlich?
Die Antwort „Wir alle“ bzw. „ich“ ist sicher unbequem.
Leichter ist es, an eine geheime Verschwörung zu glauben und sich durch dieses Wissen als Rebell zu fühlen. (Diesen Mechanismus zitiert Assheuer aus der Zeitschrift für Diskursforschung 4/2020.)
Wir suchen Sinn in Verschwörungstheorien, die uns das Gefühl geben, Teil von etwas Größerem zu sein, einem sinnstiftenden Zusammenhang, als Rebellen. Sie haben die Attraktivität aller Geheimlehren seit der antiken Gnostik: Dieses besondere Wissen hebt uns auf eine höhere Ebene – früher war das spirituell gemeint, heute geht es um Sinn, Bedeutung und Sicherheit.
Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien
Ich glaube nicht an eine globale Verschwörungstheorie, und das ist gut so. Unbegründeter Glaube an Verschwörungstheorien ist schädlich:
„Diese sind potenziell gemeinschaftsschädlich – entweder direkt, weil sie Diskriminierung und Gewalt gegen vermeintliche Verschwörer hervorrufen können, oder indirekt, weil sie gesellschaftliches Engagement mindern.“ (Kai Funkschmidt)
Natürlich könnten Christen offener für Verschwörungstheorien sein: Christen könnten gegenüber den Mächtigen skeptisch sein. Aus christlicher Sicht gilt: 1. Jeder Mensch ist angeknackst, auch die Mächtigen. 2. Die ultimative Macht hat sich klein gemacht und wurde von der damaligen Regierung umgebracht. 3. Christen glauben an Jesus, den Zimmermann. Vielleicht geben sie deswegen auch „Nichtexperten“ eher eine Chance.
Trotzdem: Ich glaube nicht an derartige Theorien – wegen meinem christlichen Weltbild. Natürlich erlebe ich auch alle möglichen Krisen und Verunsicherungen. Als Christ habe ich andere Ressourcen, mit Ängsten, Frust, Sorgen und Unsicherheit umzugehen. Sie kommen aus dem Weltbild, das die Bibel vermittelt:
Ich weiß: Jeder Mensch ist wertvoll.
Christen glauben, dass Menschen ihren Wert nicht deswegen haben, weil sie etwas leisten, besitzen oder aus wertvollen chemischen Elementen bestehen.
Menschen haben mehr als einen Marktwert. Sie wurden von Gott in seinem Bild geschaffen. Deswegen hat jeder Mensch Wert. Auch wenn ich erfolglos bin, auch wenn ich jahrelang vergeblich Arbeit suche (was ich schon erlebt habe), auch wenn ich durch Managementfehler meine Arbeit verliere (was mir schon passiert ist) – das beeinträchtigt nicht meinen Wert.
Genauso wenig bin ich weniger wert, wenn ich gebrauchte Kleidung trage, kein oder ein schlechtes Auto habe und wenige Likes in sozialen Medien ernte.
Wer weiß, dass er wirklich wertvoll ist, hat keine Angst vor Bedeutungsverlust.
Ich weiß: Jeder Mensch ist angeknackst.
Christen wissen, dass Menschen nicht den moralischen Ansprüchen Gottes genügen. Deswegen sind Skandale und Enthüllungen zwar immer wieder schockierend. Aber sie sind nicht unerwartet. Menschen sind „gefallen“ – innerlich angeknackst und verdreht. Deswegen ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass irgendwo irgendwer gerne die Welt heimlich beherrschen möchte.
Das ist aber nichts Außergewöhnliches, um damit intellektuell und emotionell umzugehen, brauchen wir keine Verschwörungstheorie.
Aber wir sind nicht nur verdreht, wir sind auch begrenzt: Wir sind schwach und oft unfähig. Wie sollte unter diesen Voraussetzungen eine globale Verschwörung organisiert und geheimgehalten werden können?
Natürlich weiß ich nicht alles, was auf der Welt läuft. Es ist davon auszugehen, dass nicht jeder Korruptionsfall auffliegt und dass Mächtige nicht über alle ihre Handlungen berichten. Aber dass Zigtausende koordiniert die weltweite Öffentlichkeit unterlaufen und noch dazu dicht halten? Das kommt mir äußerst unwahrscheinlich vor. Und falls sie nicht dicht gehalten haben, ist die angebliche Verschwörung ja aufgeflogen. Ich glaube nur an eine Verschwörungstheorie, an eine himmlische Verschwörung des Guten – und selbst die ist aufgeflogen.
Ich weiß: Alles wird ans Licht kommen.
Geheimnisse werden oft verraten, besonders wenn viele Menschen involviert sind. Aber Christen rechnen zusätzlich damit, dass wir alle uns eines Tages vor Gott verantworten müssen. Alles wird ans Licht kommen. Auch jede Verschwörung. Und die Verschwörer müssen sich dann vor Gott für Ihre Taten verantworten.
Ich weiß: Einsatz für das Gute lohnt sich.
Unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und Interaktionen haben wirkliche, reale und bleibende Auswirkungen – egal, „wer wirklich regiert“. Wie wir miteinander umgehen, hat große Bedeutung.
Schon die erste Generation der Christen hat das so gesehen:
… ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“ (Die Bibel, 1. Korintherbrief, 15,58)
Das ist der Abschluss einer langen Diskussion über die Auferstehung der Toten. Glaube an die Auferstehung führt nicht dazu, dass Christen ihre Hände in den Schoß legen und warten, dass Gott sie in den Himmel holt.
Im Gegenteil, hier erhalten sie zusätzlichen Drive, sich für das Gute einzusetzen. Auch wenn es oft anders aussieht: Nichts davon ist vergeblich. (Deswegen geht der eben zitierte 1. Korintherbrief auch mit einer Spendenaufruf für Hilfsbedürftige weiter.)
Ich weiß: Ich werde sterben.
Manche denken nie daran, aber wirklich neu ist das nicht: Wir werden alle sterben. Vielleicht an einer Krankheit. Vielleicht an einem Unfall. Oder auf andere Art.
Andere Unsicherheitsfaktoren des Lebens verblassen dadurch doch. Was könnte eine Weltverschwörung daran ändern? Oder was würde mir Spezialwissen über tatsächliche Regierungsverhältnisse dabei helfen, mit dem Tod angstfrei umzugehen?
Was ich brauche, ist eine Lösung für das große Problem, keine Ablenkung auf kleinere.
Ich weiß: Es wird ein Happy End geben.
Wenn die Sache mit Jesus stimmt (und dafür gibt es überzeugende Gründe), dann bedeutet das: Es gibt ein Happy End.
Gott hält die Fäden noch immer in der Hand. Jesus ist selbst durch Leid und Tod gegangen und zu neuem unendlichen Leben auferstanden. Gott wird mir eines Tages jede Träne abwischen:
… und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der, welcher auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. (Offenbarung 21,3-5)
Ich weiß: Eine geheime Gemeinschaft regiert die Welt.
Vielleicht fällt es mir deshalb auch so schwer, angeblichen Verschwörungen und geheimen Mächten eine übergroße Bedeutung zuzuschreiben: Ich glaube tatsächlich an eine Verschwörungstheorie. Ich glaube an eine viel umfassendere und tiefer gehende Verschwörung des Guten.
„Der Sohn verschwört sich mit dem Vater durch den Heiligen Geist die Welt zu lieben. Eine viel bessere Verschwörung!“ (Glen Scrivener)
Auch diese Verschwörung ist bereits aufgeflogen.
Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist ziehen im Hintergrund die Fäden. Gott führt seinen Plan aus. Über allen Mächten und Eliten steht ein liebevoller und vertrauenswürdiger Gott, der alles im Blick hat und alles regiert.
Wenn die Sache mit Jesus stimmt (und dafür gibt es gute Gründe), dann ist jeder Mensch, der ihm vertraut, dem Einflussbereich dunkler Verschwörer letztlich entzogen:
Denn er hat uns aus der Gewalt der dunklen Mächte gerettet und uns unter die Herrschaft seines geliebten Sohnes gestellt. (Die Bibel, Kolosserbrief 1,13)
Sogar wenn es eine menschliche Verschwörung geben sollte, werden auch diese Menschen eines Tages von Gott zur Rechenschaft gezogen.
Die Geheimnisse der Weltregierung sind enthüllt worden:
Diese Botschaft war in der Vergangenheit über viele Jahrhunderte und viele Generationen hinweg wie ein Geheimnis verborgen; jetzt aber wurde es denen enthüllt, die zu ihm gehören. Denn Gott wollte ihnen sagen, dass der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses auch für die anderen Völker bestimmt ist. Und das ist das Geheimnis: Christus lebt in euch! Darin liegt eure Hoffnung: Ihr werdet an seiner Herrlichkeit teilhaben.
Deshalb erzählen wir überall, wo wir hinkommen, von Christus. … (Die Bibel, Kolosserbrief 1,26-28)
Ruhe und Frieden
Anders als andere Verschwörungstheorien führt diese Enthüllung nicht zu mehr Stress, mehr Angst, mehr Unsicherheit. Ich glaube nur an eine Verschwörungstheorie, an eine himmlische Verschwörung des Guten. Sie führt nicht zu eingebildeter Rebellion, sondern zu echter Hoffnung und innerer Ruhe:
Kommt alle zu mir, die ihr geplagt und mit Lasten beschwert seid! Bei mir erholt ihr euch. Unterstellt euch mir und lernt von mir! Denn ich bin freundlich und von Herzen zum Dienen bereit. Dann kommt Ruhe in euer Leben. Denn mein Joch trägt sich gut und meine Last ist leicht. (Jesus in Matthäus 11,28-30)
Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben. (Jesus in Matthäus 5,5)
Verweise
Thomas Assheuer, „Hier walten geheime Mächte. ‚Sie werden das Blut eurer Kinder verseuchen‘: Warum glauben vernünftige Bürger an Verschwörungen und globale Drahtzieher? Die Antwort darauf ist 70 Jahre alt und gilt noch immer“, ZEIT No. 41, 1.10.2020, 47-48.
Glen Scrivener, Paul Feesey, „There IS A Secret Cabal Ruling the World (It’s Not QAnon. LIVECast 21.9.2020) https://www.youtube.com/watch?v=L7E0D3x2DrY, 21.10.2020.
Dr. Kai Funkschmidt, Verschwörungstheorien, Oktober 2014, https://ezw-berlin.de/html/3_4492.php, 21.10.2020.
„We’re living in a stage where we might be among the first people in human history who have absolutely no explanation for what we’re doing here.“ Douglas Murray’s 10 Top Quotes on Religion, https://www.youtube.com/watch?v=aLAX_g2jyBk, 21.10.2020.