Naturwissenschaft kommt nicht ohne Vertrauen aus. Selbst in der Mathematik kommt man nicht ohne Vertrauen und „Einsicht“ aus:
„Ferner muß man natürlich, um aus einer Aussage eine andere herleiten zu können, mindestens eine Schlußregel voraussetzen, die man selbst aber nicht beweisen kann.“ (Solymosi und Kessler 1995, 15)
Der Wissenschaftsphilosoph Wolfgang Stegmüller untersuchte eine einfache Zahlentheorie und kam zum Ergebnis:
„Eines der Motive … bestand für mich gerade darin, am Beispiel der angeblich exaktesten und voraussetzungslosesten Wissenschaft zu zeigen, daß man ohne Berufung auf Einsicht nicht auskommt; …“ (Stegmüller 1969, 25, zit.n. Solymosi und Kessler, 38)
In keiner Wissenschaft stimmt der Satz: Wir glauben nur, was wir beweisen können. In jeder Wissenschaft brauchen wir Vertrauen.
Vertrauen ist nur ein anderes Wort für allgemeinen Glauben. Daher schließt Wolfgang Stegmüller:
„Man muß nicht das Wissen beseitigen, um dem Glauben Platz zu machen. Vielmehr muß man bereits an etwas glauben, um überhaupt von Wissen und Wissenschaft reden zu können.“ (Wolfgang Stegmüller, 1969, 33, zit.n. Solymosi und Kessler, 41)
Ein Bereich, in dem Menschen in der Wissenschaft Vertrauen brauchen, ist überraschenderweise die Mathematik. Das betrifft nicht nur strittige mathematische Beweise, denen manche vertrauen, andere nicht. Das betrifft nicht nur die Grundlagen der Mathematik (Zahlentheorie). Das betrifft auch ihre Anwendbarkeit:
Mathematik ist ja eine reine Erfindung der Menschen und trotzdem können wir sie verwenden um das Universum zu verstehen. Auf diesen Umstand hat der Nobeltreisträger Eugene Wigner hingewiesen. Daher stellt sich die Frage: Wieso funktioniert Mathematik in der der physischen Welt?
Literatur
Andreas Solymosi und Volker Kessler, Ohne Glauben kein Wissen. ‚Mathematischer Beweis’ der Unvollständigkeit unseres Wissens, Schwengeler, Berneck 1995.
Wolfgang Stegmüller, Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, 2. Aufl., Springer-Verlag, Berlin 1969.
MEHR
Es geht nicht ohne Einsicht, ohne die Annahme von unbeweisbaren Aussagen. Das zeigt Lewis Carroll, der Mathematiker und Schöpfer von Alice im Wunderland, in seinem Aufsatz über Achilles und die Schildkröte: Carrol, Lewis, What the Tortoise said to Achilles, in: Mind 104 (1895), 691–693.