Was sagt Jesus über das Leid?

Der große Rahmen der Geschichte – Warum gibt es immer noch Leid?

Gott gibt nicht auf – obwohl diese Welt kaputt ist, liebt Gott sie und uns immer noch! Er will immer noch, dass wir ihn über alles lieben und genießen.

Die Lösung, die uns umbringt

Eine Lösung für das Leid der Welt wäre es, alles Böse mit einem Fingerschnippen zu beseitigen.

Doch was würde in diesem Fall aus uns Menschen werden?

Der Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn hat im Gulag, dem sowjetischen Konzentrationslager erkannt:

„Der Strich, der das Gute vom Bösen trennt, durchkreuzt das Herz eines jeden Menschen.“ (Alexander Solschenizyn, Der Archipel Gulag, Bern, Scherz Verlag, 1974, 167)

Er behauptet, dass sogar die Opfer des Gulags in sich Böses tragen. Damit meint er auch sich selbst. (Und der Autor dieses Beitrags schließt sich ebenfalls mit ein.)

Wenn das stimmt, könnte das Fingerschnippen Gottes uns alle umbringen. Denn wer kann derart amputiert weiterleben? Die lebenserhaltende Lösung ist keine Amputation, sondern eine schrittweise Transformation.

Die Lösung, die uns entmenschlicht

Eine Lösung für das Problem des Leides wäre es, Menschen ihre Freiheit wieder wegzunehmen. Das entspricht aber nicht Gottes Ziel. Sartre weist auf den Zusammenhang von Liebe und Freiheit hin:

… der Liebende ist wieder mit sich allein, wenn sich der Geliebte in einen Automaten verwandelt hat.“ (Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Reinbek, Rowohlt, 1991, 643, zit. n. Timothy Keller, Gott im Leid begegnen, Gießen, Brunnen, 2015)

Gott bleibt dabei, dass wir entscheidungsfähige, liebesfähige Wesen sein sollen. Zum Beispiel hätte Kain anders handeln sollen und ist für seine Entscheidung verantwortlich. Schon vor der Tat warnt Gott:

Der Herr fragte ihn: »Warum bist du so zornig? Warum starrst du auf den Boden? Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du den Kopf frei erheben; aber wenn du Böses planst, lauert die Sünde vor der Tür deines Herzens und will dich verschlingen. Du musst Herr über sie sein!« (Genesis 4,7)

Und nach dem Brudermord sagt Gott zu Kain:

»Weh, was hast du getan?«, sagte der Herr. »Hörst du nicht, wie das Blut deines Bruders von der Erde zu mir schreit?“ (Gen 4,10.)

Kain wurde gewarnt. Er hätte anders handeln sollen. Und er wird für seine Tat zur Verantwortung gezogen.

Denn er ist ein Mensch mit Entscheidungsfreiheit und Verantwortung.

Gott bleibt dabei, wir sollen frei sein und ihn widerspiegeln. Deswegen greift er manchmal nicht ein.

Sehr oft würden wir es anders wünschen.

Wann und wo sollte Gott eingreifen?

Beispielsweise schlägt ein Mann einen anderen Menschen. Wir würden uns natürlich wünschen, dass das nicht passiert, dass Gott eingreift und dieses Verbrechen verhindert.

Aber wann soll Gott eingreifen? Wenn die Faust den Kopf trifft? Dass es nicht mehr weh tut? Oder wenn der Mann die Entscheidung trifft – Jetzt schlag ich zu? Oder bevor er die Entscheidung trifft, damit er diese Entscheidung überhaupt nicht treffen kann? So könnte Gott das Leiden verhindern.

Aber was ist der Preis? Der Mann ist nicht mehr frei, Böses zu denken oder zu tun und seine Handlungen haben keine Konsequenzen mehr. Er wird zu einer bedeutungslosen, einflusslosen Marionette, zu einem instinktgetriebenen Tier, oder zu einem Kleinkind, das zwar strampeln kann, aber damit nichts bewirkt.

Ohne Verantwortung für seine Tat und ohne die Freiheit, sich so zu verhalten oder anders, ist er kein verantwortlicher Mensch mehr.

Wenn Gott immer so eingreift, dann verlieren wir unsere Verantwortlichkeit.

Gott greift manchmal ein

Gott verhindert Leid und das Böse laut verschiedenen Berichten tatsächlich manchmal auf ähnliche Art. Ein Bekannter wurde beispielsweise in einem asiatischen Land überfallen und gefoltert. Als der Täter ihn mit einem Stein erschlagen wollte, konnte er es nicht. Der Schlag hatte keine Wirkung auf den Schädel des Opfers. Der Gefolterte hatte in diesem Augenblick auf ein Bild von Jesus gesehen und sah in der Bewahrung vor dem Tod ein Eingreifen Gottes.

Durch dieses Eingreifen wurde nicht nur das Opfer gerettet sondern auch der Angreifer möglicherweise zum Nachdenken gebracht. Aber Gott hat nicht den gesamten Überfall verhindert. Und er hat auch nicht bei den vielen, vielen Personen eingegriffen, die bei derartigen und anderen Verbrechen sterben. Er war dazu nicht verpflichtet.

Wir wissen nicht, warum er manchmal doch eingreift – er bleibt unergründlich.

Gott greift oft nicht ein – damit wir Menschen bleiben und transformiert werden

Gott greift also nicht ein, damit wir Menschen bleiben und er das Böse schrittweise verwandelt.

Wenn Gott oft nicht eingreift, liegt darin eine der größten Schwierigkeiten im großen biblischen Rahmen der Geschichte. War es das wirklich wert? All das schwere Leid, die Tränen, das Weinen?

Offensichtlich war für Gott unsere Verantwortlichkeit und Gottebenbildlichkeit so viel wert.

Gott macht dem Leid jetzt nicht sofort ein Ende
  • weil er immer noch will, dass wir Menschen mit Verantwortung und Entscheidungsfreiheit sind, und
  • weil eine plötzliche Vernichtung von allem Bösen auch uns umbringen würde.
Was macht Gott dann?

Er macht einen Ausweg, er macht ein Ende mit dem Leid und er macht alles neu. (Darauf wird in folgenden Beiträgen eingegangen.)