Ein „Himmelfahrtskommando“ ist eine verzweifelte und aussichtslose Aktion, die mit dem Tod – oder zumindest einem Misserfolg endet. Frühere Kommandos kamen mit ihrem aussichtslosen Himmelfahrtskommando wenigstens noch in die Nähe des Himmels. Denn Gott ist im Himmel.
Aber das ist vorbei, denn „dort oben“ ist nichts und es wird auch nicht so schnell etwas nachkommen, meint der Philosoph Peter Sloterdijk:
„Ab jetzt von oben nichts Neues.“ (Peter Sloterdijk, „Hat uns der Himmel noch etwas zu sagen?“, in: Die Zeit Nr. 42, 8.10.2020, 53.)
Der Himmel sei
„nach den drei Jahrtausenden seiner mythologischen und metaphysischen Vollbeschäftigung unwiderruflich in seine posthistorische Phase eingetreten, um nur noch in lyrischen Zitaten und veralteten Komplimenten vorzukommen, allenfalls in den wenig gelesenen Dissertationen von Neutestamentlern und Mesopotamisten.“ (ebd.)
Wer in den Himmel fährt, kommt also nirgendwo mehr an, denn es
„dürfte kaum einer der Heutigen imstande sein, nachzuempfinden, wie es damals gewesen sein muss, als der Himmel in physischer wie metaphysischer Hinsicht, als das absolute Reservoir von Sinn, das allgemeine Woher von Zeichen und Wundern, ja von sämtlichen wesenhaften Wahrheiten und Erleuchtungen bewundert, verehrt, gefürchtet, erkundet und gedeutet werden wollte“. (ebd.)
Mit seinem Hinweis auf die Unfähigkeit, sich die Implikationen – und die Existenz – eines realen Himmels vorzustellen, trifft Sloterdijk den Nagel auf den Kopf.
Himmlische Dimensionen – Frodo sei Dank!
Oft lag es in früheren Jahrzehnten an mangelnder Vorstellungskraft. Manche Materialisten waren so fantasiebefreit, so ohne einen Funken Kreativität – sie konnten sich einfach nicht vorstellen, wo dieser Himmel sein sollte. Sie hatten dafür keine Bilder.
Hollywood sei Dank, das hat sich geändert. Nachdem wir wohl alle gesehen haben, wie Frodo durch den Ring in einen geistigen Teil der Realität versetzt wurde, oder wie sich die verschiedenen Spider-Mans (Spider-Men?) in unterschiedliche Universen verabschieden, fällt es wieder leichter, uns eine andere Dimension, die unsere eigene durchdringt, vorzustellen.
Der Himmel – eine andere Dimension
Der Himmel ist eine andere Dimension, die unsere eigene durchdringt.
Und diese Dimension gibt es.
Das merken wir zum Beispiel an der Sehnsucht vieler Menschen nach Transzendenz: Wir sehnen uns nach stabilem Sinn, vollkommener Schönheit, letzter Gerechtigkeit und unendlicher Liebe. Diese Dinge gibt es nicht in den sichtbaren Dimensionen. Sie weisen uns auf unsichtbaren Dimensionen der Realität hin.
Von dort aus hat Gott auch die sichtbaren Dimensionen der Wirklichkeit geschaffen, denn Materie, Energie, Raum und Zeit haben eine Ursache. Diese Ursache ist nicht physisch und daher transzendent.
Gott wirkt aus den unsichtbaren Dimensionen der Realität und auch wir existieren zum Teil in ihnen.
Das erkennen wir auch am Unterschied zwischen Gehirnzuständen und unserer Wahrnehmung. Gehirnzustände kann man messen und quantifizieren. Meine und deine Wahrnehmung nicht. Sie sind nicht allein Teil der materiellen Wirklichkeit. Du kannst alles über die Zustände in meinem Gehirn wissen – aber nicht wie es sich für mich anfühlt, was ich wahrnehme.
Wir haben neben Wahrnehmungen auch Erinnerungen und Absichten. Diese geistigen Ereignisse wirken durch uns in die materielle Welt und zeigen, dass die physische Wirklichkeit nicht geschlossen ist. Ereignisse der nicht-physischen Dimension können in die physische Dimension einwirken (vgl. dazu beispielsweise die Argumente des Philosophen Richard Swinburne).
Es gibt mehr als die materielle, körperliche, physische Dimension der Realität. Darauf können wir nicht nur durch logische Argumente schließen. Wir wissen das sogar aus der Innenperspektive.
Der Himmel ist dort, wo Jesus Christus jetzt ist.
In diese andere Dimension ist Jesus hingegangen, beim echten „Himmelfahrtskommando“. Der Auferstandene wurde vor Augenzeugen
aufgehoben in den Himmel. (Lukasevangelium 24,51)
Dann sehen die Augenzeugen:
eine Wolke nahm ihn auf von ihren Augen weg. (Apostelgeschichte 1,9)
Diese Wolke erscheint in der Bibel oft als Zeichen der Gegenwart Gottes und seiner Herrlichkeit (Exodus 24,15–18; Lukas 9,34f).
Ellis Potter sieht diese besondere biblische Wolke als Darstellung der „Schnittstelle“ oder „Verbindung“ zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen der Realität:
„Jesus wurde in die übernatürlichen Dimensionen der Realität gebracht, und damit konnte er in den natürlichen Dimensionen normalerweise nicht mehr gesehen oder gehört werden.“ (Ellis Potter, The Cloud of Knowing, Destinée, 2018, 72, eigene Übersetzung.)
Jesus ist nicht wirklich „weg“. Ellis Potter kommentiert:
„Jesus hatte schon zwei scheinbar widersprüchliche Dinge gesagt, die zu verstehen uns die Wolke hilft: Er sagte ‚Ich gehe weg‘ und ‚Ich bin immer bei euch‘. Wir können verstehen, dass Jesus nicht an einem anderen Ort ist. Er ist an diesem Ort in anderen Dimensionen.“ (ebd. 72-73, eigene Übersetzung.)
Der Himmel ist uns so nahe, wie Shakespeares Dimension seiner Schöpfung Hamlet. Shakespeare ist immer da und kann jederzeit eingreifen in sein eigenes Werk. Aber Jesus Christus hat nicht nur ab und zu einen Satz umgeschrieben. Er ist selbst in diese Welt eingestiegen – und er wird es wieder tun:
Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird in derselben Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt in den Himmel auffahren sehen! (Apostelgeschichte 1,11, siehe auch 1. Thessalonicher 4,16–18).
Mehr:
Christian Bensel, „Von nichts kommt nichts. Das kosmologische Argument“, https://www.begruendetglauben.at/von-nichts-kommt-nichts-das-kosmologische-argument/
Richard Swinburne, „The Implausibility of the Causal Closure of the Physical“, Organon F, Vol. 26, Feb. 2019, Issue 1, S. 25–39. (https://doi.org/10.31577/orgf.2019.26103)
(https://www.zeit.de/2020/42/glaube-himmel-gott-religion-geschichte-weltraum-kosmos