Argumente für Gott, Existiert Gott?

Zwanglose Beweise

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Beweise – was ist das überhaupt?

Mathematische Beweise gibt es nur in der Mathematik. Aber es gibt nicht nur den mathematischen Beweis, es gibt auch noch andere. Bei einem Gerichtsverfahren oder in der Geschichtswissenschaft werden Indizienbeweise geführt. Man sammelt Daten und sucht nach der besten Erklärung für sie, man versucht andere Möglichkeiten zu widerlegen und kommt so zu einem Beweis.

In der Philosophie wird das auch „Argument“ genannt.

Was ist ein gutes Argument?

Argumente verlassen sich, wie der Philosoph Jürgen Habermas es genannt hat, auf den

„eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Argumentes“ (Habermas 1973, 240).

„Zwanglose“ Argumente müssen gewaltfrei und aufrichtig sein.

Einen „zwanglosen Zwang“ entwickeln sie, wenn sie gültig und haltbar sind. (Bensel 2007, 96; Kienpointner 1992b,17, 20ff).

  • Gültig: Gute Argumente bestehen aus Prämissen und einem formalen Weg, um von den Prämissen zu einem Schluss zu kommen. Sie sind gültig oder schlüssig, wenn sie die richtige Form haben.
  • Haltbar: Gute Argumente sind haltbar, wenn sie nicht nur gültig, sondern auch wahr und richtig sind.

Formal gültig, aber nicht haltbar

Das folgende Beispiel ist ein gültiges Argument, aber es ist nicht haltbar:

(1)       Wenn heute Montag ist, dann scheint die Sonne.
(2)       Heute ist Montag.
(3)       Folglich scheint heute die Sonne.

Dieses Argument ist formal gültig. Das heißt, es hat die richtige Form. (In diesem Fall hat es die Form, die man „Modus Ponens“ nennt). Aber es ist nicht haltbar. Nehmen wir an, heute ist Donnerstag, dann ist (2) nicht akzeptabel. Und (1) ist an keinem Tag akzeptabel.

Der Schluss ist nicht wahr, weil die Prämissen nicht wahr sind. Da kann die Form so lange stimmen, wie sie will.

Plausibel, aber nicht zwingend

Ein Argument ist nur plausibel, wenn es gültig (formal richtig) und haltbar (Prämissen sind akzeptabel, erscheinen wahr) ist. Ein gutes Argument ist triftig und glaubhaft, aber es ist nicht zwingend.

Der „zwanglose Zwang“ entwickelt nur eine überzeugende Kraft, keine zwingende Kraft: Sie sollten von guten Argumenten überzeugt werden. Aber dieser Zwang ist so zwanglos, dass wir selbst von guten Argumenten manchmal nicht überzeugt werden. Das ist besonders der Fall, wenn etwas herauskommt, dass für uns nicht plausibel klingt.

Warum überzeugen gute Argumente nicht zwangsläufig?

Überzeugend sind Argumente meist erst, wenn wir die Prämissen für wahr halten, die logische Form stimmt und wenn uns der Schluss „passt“. Der Schluss „passt“ uns, wenn er uns wahrscheinlich, wünschenswert oder gut vorkommt. So passt er in unser Weltwissen, Hintergrundwissen, zu unseren Vorannahmen und Vorurteilen – und wir müssen unser geistiges Inventar nicht komplett neu sortieren.

Ein gültiges Argument, das uns nicht passt

(4)       Jeder der in unserem Land Steuern zahlt, sollte in unserem Land wählen dürfen.
(5)       Das Staatsoberhaupt eines anderen Landes hat in unserem Land Steuern gezahlt (und zwar Mehrwertsteuer beim Auftanken des Flugzeuges oder beim Kauf eines Kaugummis beim letzten Staatsbesuch)
(6)       Das Staatsoberhaupt eines anderen Landes sollte in unserem Land wählen dürfen.

(Setzen Sie nach Belieben ein Land und ein Staatsoberhaupt ein.)

Das ist wieder ein gültiges Argument – es stimmt der Form nach – und zuerst haben wir vielleicht (4) noch für richtig gehalten, aber jetzt ist herausgekommen, dass [Name einsetzen] in [Land einsetzen] wählen darf.

An dieser Stelle könnte jetzt jemand sagen: „Moment mal, das wollen wir nicht, [Name einsetzen] kann im eigenen Land wählen.“ Der Schluss war für diese Person nicht akzeptabel und deswegen war sie nicht überzeugt.

Wenn uns so etwas passiert, gehen wir oft zu den Prämissen zurück und schauen, wie wir sie zurückweisen oder verändern können. Wir schlagen zum Beispiel vor, dass Prämisse (4) doch nicht stimmt – wir wollen das Wahlrecht nicht mehr an die Steuerleistung binden, weil wir nicht wollen, dass diese Person auch bei uns wählen darf.

In manchen Fällen sind wir erst vom Schluss überzeugt, wenn es gar nicht anders geht. Weder an den Prämissen noch am Schluss ist etwas „faul“. Aber selbst das reicht gelegentlich nicht.

Wenn ich nicht überzeugt werden will

Manchmal wollen wir einfach nicht überzeugt werden. Wie in dem englischen Sprichwort:

„Convince a man against his will, he‘s of the same opinion still.“

Ein Mensch, der gegen seinen Willen überzeugt wird, bleibt bei seiner vorigen Meinung. Gegen den Willen geht es nicht. Es gibt eine Verbindung zwischen Erkenntnis und Wille, dem was ich will und dem, was ich für wahr halte.

Seine Meinung ändern – gar nicht immer leicht

Mit Argumenten zu überzeugen – das kann wirklich schwierig sein. Schon Justin der Märtyrer hat 156 n.Chr. in seinem Buch an den Kaiser Antonius und seinen Sohn Mark Aurel geschrieben:

„Allein, da wir wissen, dass ein Geist, der im Irrtum befangen war, nicht so leicht zu einer raschen Änderung (seiner Ansichten) sich versteht, so haben wir, um die Freunde der Wahrheit zu überzeugen, uns gerne entschlossen, noch einiges beizufügen; erscheint es uns doch nicht undenkbar, dass vor der Wahrheit der Irrtum das Feld räume.“ (Justin, Apologie I.12.11.)

Dieser Hinweis ist wichtig, wenn wir uns mit Argumenten für Gott beschäftigen.

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Wir alle kommen mit unseren eigenen Überzeugungen zu dieser Frage. Wenn ein Argument anscheinend zeigt, dass es keinen Gott gibt, wird ein Theist bestimmt nach einem Ausweg suchen. Und dasselbe gilt für jemanden, der glaubt, dass es keinen Gott gibt.

Umstrittene Beweise – in Mathematik und über Gott

Der Philosophieprofessor Robert Spaemann hat dazu in „Der Welt“ geschrieben:

„Daß die Gottesbeweise samt und sonders strittig sind, bedeutet nicht viel. Würde von Beweisen innerhalb der Mathematik eine radikale Entscheidung über die Orientierung unseres Lebens abhängen, wären auch diese Beweise strittig.“  (Robert Spaemann)

Selbst bei mathematischen Beweisen gibt es Streit – wie etwa bei einem Beweisversuch zur ABC-Vermutung. Seine

„Korrektheit wird von prominenten Mathematikern bezweifelt“.

Dadurch wurde

„die Gültigkeit eines Stücks […] bedeutsamer Mathematik nun eine Frage des Dafürhaltens“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Abc-Vermutung#Beweisversuche, 30.6.2020)

Bei „Gottesbeweisen“ geht es nicht um eine unbekümmerte akademische Übung oder oberflächliche Überzeugungen.

Unsere ganze Sicht auf das Leben, das Universum und Alles ändert sich mit der Frage, ob Gott existiert. Wenn wir an den Tod denken, wenn wir an die Verbrechen in der Menschheitsgeschichte denken, an alles Leid, an alle Menschen, die wir verletzt haben, dann ist es natürlich unendlich wichtig zu wissen, ob Gott existiert.

Literatur:

Christian Bensel, Wahrheit und Wandel. Alltägliche Wahrheitsstrategien und Argumentationen in apologetischen Texten, VDM – Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007.

Justinus (des Philosophen und Märtyrers), Rechtfertigung des Christentums (Apologie I u. II), eingeleitet, verdeutscht und erläutert von Dr. H. Veil, Heitz & Mündel, Strassburg 1894.

Jürgen Habermas, Wahrheitstheorien, in: Helmut Fahrenbach, Hg., Festschrift für Walther Schulz, Wirklichkeit und Reflexion, Neske, Pfullingen 1973, 211-265.

Manfred Kienpointner, Alltagslogik: Struktur und Funktion von Argumentationsmustern (problemata 126), frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstadt 1992.

Robert Spaemann, Der Gottesbeweis. Warum wir, wenn es Gott nicht gibt, überhaupt nichts denken können. Die Welt (26.3.05) (http://www.welt.de/print-welt/article560135/Der-Gottesbeweis.html, 21.1.2016).