Wanderer sehen oft schon ein Stück ihrer Zukunft vor sich auf dem Weg, wenn sie in derselben Richtung weitergehen. Wenn wir überlegen, in welcher Richtung unser Leben und unsere Welt gerade unterwegs sind, können wir uns ungefähr vorstellen, wohin wir bald kommen werden: in grenzenloseres Ungleichgewicht und beängstigende Krisen. Was kommt danach? Lebt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft? Mit welcher Zuversicht gehen darauf zu? Woher kommt Hoffnung? Die Antwort darauf hängt von unserem Weltbild ab.
Immer schneller in unterschiedliche Richtungen unterwegs
Wohin gehen wir gerade? Wir erleben gleichzeitige und gegenläufige Entwicklungen.
Ohne Grenzen: Öffnung und Abschottung
Grenzen verschieben sich, werden durchlässiger oder verschlossener. Sie öffnen sich oder schotten sich ab.
Die Offline-Onlinegrenze verändert sich.
Die Online-Welt wird immer mehr vernetzt, auch mit der Offline-Welt. Diese Grenze wird durchlässiger. Lieferdienste und VR-Brille holen uns immer tiefer in die online-Welt. Dort wartet eine unglaubliche Vielfalt von Möglichkeiten. Ich kann dort sogar KI-Kopien von Verstorbenen begegnen. Außerdem können wir dort grenzenlos verfügbar für Arbeit sein. Wegen unserer ungebremsten Sinnsuche arbeiten wir sogar härter und billiger, nicht mehr für Geld, sondern für Sinn.
Deep Fakes führen dazu, dass wir nichts von dem, was aus einem Lautsprecher oder Bildschirm zu uns kommt, mehr trauen können. Denn auch die Scammer- und Hackerindustrien sind weltweite Player.
Die Offline-Welt vernetzt in Globalisierung.
Offline geht die Vernetzung auch weiter. Die Lieferketten werden immer unübersichtlicher, hinter Produkten großer Firmen stecken bis zu 10.000 Lieferanten. Grenzabbau, Globalisierung, Vernetzung – das hat natürlich große Vorteile.
Fragile Netze und Grenzüberschreitungen verunsichern
Doch die Verbindungen sind aus Kostengründen oft fragil gehalten – ein quersteckendes Schiff im Suezkanal kann die weltweiten Warenströme blockieren. Dasselbe bewirkt eine jemenitische Rebellengruppe.
Menschen, Waren, Ideen, Tiere, Pflanzen und Viren und Armeen überwinden Grenzen. Die Öffnung der Grenzen ist nicht immer freiwillig. Die Grenzüberschreitung führt zu Gegenreaktionen.
Die unglaubliche Pluralität der Stimmen kann überfordern. Alle wollen sich Gehör verschaffen. Manche wollen andere zum Schweigen bringen. Hier wird eine Grenze sichtbar und das Ende von Pluralität und offenem Diskurs angedacht.
Die Pluralität der Produzenten und das mangelnde Vertrauen in die Stabilität der Globalisierung führt zu einem Rückbau der gegenseitigen Abhängigkeiten. Das Ende der Globalisierung, das Ende der internationalen Solidarität sind in Sicht.
Es gibt Krieg in Europa. Der russische Angriffskrieg ist eine brutale, gewalttätige Grenzverletzung. Ein Machthaber wie Putin sagt ganz offen, dass er sich mehr Macht holen will. Die baltischen Staaten fragen: Sind wir die Nächsten? Regierungen in Europa fragen: Welche Waffen kommen als nächste dran? Wie stark müssen wir uns engagieren? Braucht Europa mehr Atombomben? Der Krieg zwingt dazu sich die Frage zu stellen: Was ist mir die Freiheit wert? Welche Geldmittel müssen wir einsetzen um uns zu wappnen? Wo wird das Geld fehlen?
Diese Entwicklungen beschleunigen Abschottung und Renationalisierung, sie befeuern den ansteigenden Nationalismus. Woher kommt Hoffnung für eine bessere Zukunft?
Aus dem Gleichgewicht: Zu viel und zu wenig
Wir leben in der Welt: das Ökosystem.
Hier verschieben sich die Grenzen der Ökosysteme und damit die Grenzen der Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien und Viren. Diese ökologischen Grenzen verschieben sich nicht nur, das Ökosystem gerät immer mehr als Ganzes aus dem Gleichgewicht. Das liegt vor allem an uns, denn der Klimawandel ist menschengemacht.
Es gibt weniger Arten und mehr Extremwetter – mehr Hitze, mehr Kälte, mehr Dürre und mehr Niederschläge. Viele von uns können die Veränderung sogar schon aus eigener Lebenserfahrung bestätigen.
Wir gestalten die Welt: Arbeit und Kreativität.
Es gehört zu unserem Menschsein dazu, dass wir aktiv und kreativ sind. Aber dabei läuft etwas aus dem Gleichgewicht. Es gibt mehr Überschüsse und mehr Hungernde. Es gibt mehr Vermögen und mehr Ungleichheit. Spitzenmanager verdienen immer mehr, alleinerziehende Mütter immer weniger.
Viele fühlen sich abgehängt und unbeteiligt. Wer nicht mehr gestalten kann, identifiziert sich nicht und kümmert sich nicht. Wer nicht mehr gehört wird, fühlt sich nicht zugehörig.
Künstliche Intelligenz steckt erst in den Kinderschuhen und ist dabei, viele Aufgaben zu übernehmen. Die Frage stellt sich: Wer wird in Zukunft noch arbeiten? Wer wird noch Kunst machen?
Wir suchen Freude: Kunst und Klicksucht.
Es gibt weniger Kunst, weniger Unterhaltung, mehr Ablenkung und Dopaminsucht. Das führt zu weniger Freude – das Zeitalter der „Dopaminzombies“ beginnt:
Abhängigkeit ist das Ziel. Sie sagen es nicht offen, aber das müssen sie nicht. Schau einfach, was sie tun. Alles ist so gestaltet, die User in einen Kreislauf der Sucht zu sperren.“ (Ted Gioia, The State of the Culture, 2024.)

Bild: Ted Gioia, 2024. www.honest-broker.com/p/the-state-of-the-culture-2024
Wir werden immer erschöpfter. Psychische Probleme nehmen zu.
Wir kommen aus dem Gleichgewicht.
Die vielen Veränderungen beeinflussen sich auch gegenseitig. Unsere Welt ist war schon vor dem Internetz und der Globalisierung ein vernetztes System. Heute erleben wir Inflation durch Schädlinge und Krankheiten durch Klimaveränderung durch Technologie und Lebenswandelfolgen.
In einer Welt aus dem Gleichgewicht verstärken sich Entwicklungen bis zu Punkten, an denen Systeme kippen. Woher kommt Hoffnung auf eine bessere, stabilere, ausgeglichenere Zukunft?
Gleichzeitig alles und nichts Glauben: Werte und Weltanschauungen
Gegenläufige spirituelle Trends
Gleichzeitig und gegenläufig sind auch die Trends im geistigen Leben. Menschen werden säkularer. Und sie werden spiritueller, religiöser. Weltweit sinkt der Anteil an Atheisten. Unsere Gesellschaft wendet sich von christlichen Traditionen ab, weltweit wächst das Christentum. Religion wird privatisiert – gleichzeitig wird das Private politisch. Postmoderne Beliebigkeit trifft auf radikalisierten Dogmatismus, Wissenschaftsgläubigkeit auf Esoterik. Das moderne Fortschrittsdenken auf spätkapitalistische Hoffnungslosigkeit und Apathie.
Ängste und Vertrauensverlust
Es gibt mehr reale Ängste und mehr diffuse Ängste. Das Vertrauen in Institutionen und Nachbarn schwankt. Kontrolle ist besser, wir suchen Sicherheit: Freiheit führt zu Grenzenlosigkeit, die Gegenbewegung ist Sicherheitsdenken und Abbau von Freiheiten. Weltweit sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auf dem Rückzug.
Wir müssen nicht nur die Landesgrenzen und Wirtschaftsgrenzen verteidigen, sondern auch Gesundheitsgrenzen ziehen, Kohlenhydratzufuhr begrenzen und die Work-Life-Balance finden (=Arbeitszeit eingrenzen).

Bild: Gläubige im Klimawandel – Sortierung. Bild von Jas Min auf Unsplash.com
Wie geht es weiter?
Prof. John Hodges war stellvertretender Direktor der FAO. Er analysiert unsere Lage so:
„Siebzig Jahre materiellen Wohlstands weckten Erwartungen an Freiheit als ein Recht. Aber wir haben die entsprechenden Werte wie Verantwortung, Vertrauen, Transparenz, Wahrheit, Bescheidenheit und die gerechte Aufteilung bescheidener und nachhaltiger Gewinne vernachlässigt. Jetzt muss man blind sein, um das entsetzliche Ergebnis nicht zu erkennen: wachsende Armut, Hunger, Inflation, finanzielle Unsicherheit, epidemische Krankheiten, klimatische Extreme, steigender Meeresspiegel, Überschwemmungen, Umweltkatastrophen, schwerer Krieg mit dem Albtraum der Atom-, Bio- und Chemiewaffen Waffen – alles deutet auf ein neues Ausmaß von globaler Verwirrung und Leid hin. Wir stehen an einem historischen Wendepunkt. … Das Paradox ist, dass egozentrisches Verhalten diese Probleme verursacht hat und nun möglicherweise Lösungen blockiert.“ (John Hodges, 2023)
Klimawandel
Es geht natürlich weiter mit dem Klimawandel, und damit mit Artensterben, Krankheiten, Wirtschaftskrisen, politischen Krisen und Migration. Wenn bei uns Orangesaft teurer wird, weil es in Florida zu viel regnet, kann mir kein Mensch erzählen, dass der Apfelsaft nicht als nächstes dran ist.
Dieser Wandel führt jetzt schon zu Leid, aber das wird noch mehr werden, wenn es so weitergeht. Ganze Staaten werden versinken. Oder verhungern. Eines der unheimlichsten Bücher, die ich je gelesen habe heißt: „Klimakriege“. Der Autor ist überzeugt: Überschwemmungen und Dürren werden zu Nahrungsmittelknappheit führen. Weltweit werden Menschen zu wenig zu essen haben. Menschen attackieren immer ihre Nachbarn bevor sie verhungern. Das führt zu Kriegen.
Politikwandel
Deswegen wird es wohl auch weitergehen mit dem kriegerischen Wandel der Politik. Demokratie ist weltweit eher auf dem Rückzug, auch bei uns wird sich die Demokratie wohl verändern.
Entweder wir sagen: Wir wollen frei bleiben, also rüsten wir auf. Dann werden Demagogen leichtes Spiel haben, denn dann nehmen wir anderen Geld weg, erhöhen Steuern.
Oder wir sagen: Wir wollen nicht aufrüsten, lassen wir uns erobern. Dann wird unsere Politik sich auch stark ändern.
Die vielen Krisen können nicht ohne Kosten bestanden werden. Wer wird die Kosten tragen? Werden wir den Alten und Kranken und Schwachen vorrechnen, was sie uns kosten und bitten, selbstständig dafür zu sorgen, keine weiteren Kosten zu verursachen?
Oder wir finden eine innere Kraft, die uns hilft, auf Wohlstand zu verzichten zugunsten dessen, was richtig ist? Woher kommt die Hoffnung, diesen anderen Weg zu gehen?
Demographischer Wandel
Es geht weiter mit demographischem Wandel – schrumpfender Wohlstand durch Arbeitskräftemangel wird unsere Gesellschaft eher nicht hinnehmen, wir brauchen weiter Arbeitskräfte aus anderen Ländern angeworben werden.
Wenn die Abschottungskräfte zu stark werden, können wir auch einen neuen Eisernen Vorhang erleben, der Migranten davon abhält, zu uns zu kommen. Wir haben immer gehört, dass Grenzen nicht funktionieren. Der eiserne Vorhang hat funktioniert – aber natürlich nur zu einem entsetzlichen Preis.
Auch ein zukünftiger eiserner Vorhang ist mit einem furchtbaren Preis verbunden. Damit meine ich nicht die ökonomischen Kosten der Errichtung, sondern den Preis, den die Menschen zahlen, die am Eisernen Vorhang erschossen werden. Und den Preis, den Gesellschaften zahlen, die so etwas nicht nur dulden, sondern finanzieren und umsetzen.
Technologischer Wandel
Es geht weiter mit dem technologischen Wandel. Bei der Erfindung des Buchdrucks oder des Radios waren die Folgen unabsehbar. Genauso ist es mit KI und medizinischen Eingriffen in unser Erbgut.
Wir werden eine gute und robuste Vorstellung davon brauchen, was ein Mensch wert ist, was ein Mensch überhaupt ist, wenn wir nicht einfach alles machen wollen, was wir können. Leider sind wir durch unseren Hedonismus nicht gut darauf vorbereitet.
Wir können uns nur kurz abnabeln.
Wir werden versuchen, es uns schön zu machen. Aber die Veränderungen werden uns und unsere Kinder noch sehr beschäftigen. Vielleicht werden wir in Europa es uns richten können. Wir können uns vielleicht eine PV-Anlage leisten, mit der wir dann im Sommer unser Haus kühlen, damit wir selbst einen kühlen Kopf bewahren. Vielleicht werden wir dabei zuschauen, wie ein neuer Eiserner Vorhang entsteht, nach Süden und Osten. Wir werden uns ablenken und es uns fein machen und versuchen, nicht hinzuhören und hinzuschauen.
Aber wir werden alle betroffen sein. Unsere Welt ist vernetzt und war es immer schon. Unsere christliche Prägung bringt uns dazu, Mitleid auch mit weit entfernten Opfern zu empfinden. Natürlich gibt es auch positive Entwicklungen, z.B. bei Alphabetisierung, Wasserversorgung oder Kindersterblichkeit. Das hebelt die anderen Entwicklungen aber nicht aus.
Große Erzählungen, Hoffnung und angemessene Reaktionen
Diese chaotische Entwicklung verunsichert. Wie können wir mit ihnen umgehen? Woher kommt Hoffnung?
Das hängt ein bisschen davon ab, in welcher großen Erzählung wir uns selbst sehen. Damit meine ich das Weltbild, das wir haben. Drei Kandidaten sindNaturalismus, Transhumanismus und christlicher Theismus.
Natürliche Reaktionen aus dem Naturalismus
Die Zukunft macht Angst, sie verwirrt, klingt bedrohlich. Es gibt drei ganz normale Reaktionen auf Bedrohungen: Fright – Furcht, Flight – Flucht, Fight – Kampf. Das sind die Reaktionen von Tieren, die bedroht werden. Die einen erstarren vor Angst und „stellen sich tot“. Die anderen flüchten reflexartig. Die letzten kämpfen. Wenn wir Menschen nur etwas weiterentwickelte Tiere sind, dann können wir auch diese Reaktionen erwarten und wir sehen sie auch:
Fright, Flight, Fight
Manche Menschen resignieren und werden depressiv. Sie sind gelähmt von Leid und Trauer. Damit überlassen sie sich den Menschen, die aktiv sind.
Andere betreiben Realitätsflucht und tauchen ab in Netflix und Co und bald in ProVision Metaverse. Oder in alternativen Theorien. Auch diese Gruppe überlässt sich den Aktiven.
Wieder andere wollen was tun: Sie rebellieren gegen den Status Quo und wollen, dass alle anderen mitmachen.
Aufspaltung durch panischen Aktivismus.
Eine panische Rebellion provoziert aber sehr leicht eine noch panischere Konterrevolution. Während beispielsweise die einen den Klimawandel bekämpfen, bekämpfen die anderen die Klimaaktivisten.
Wie schnell das unschön wird, zeigt das Beispiel der Funkenhexe „Grutha von Kleber die XI.“. Als Reaktion auf Klimakleber stellte eine örtliche Brauchtumsgruppe ihre zum Verbrennen gedachte „Funkenhexe“ als Mischung von Klimakleber und Greta Thunberg dar:
„Die Puppe der Funkenzunft Vandans ‚Grutha von Kleber die XI.‘ trug Zöpfe, eine Warnweste und eine Tube Alleskleber.“ (www.derstandard.at/consent/tcf/story/3000000175895/klimakleber-funkenhexe-hat-doch-ein-juristisches-nachspiel)
Ein Posting unter dem Artikel urteilte:
„Sie hat es verdient.“
Gedanken haben Konsequenzen. Aus solchen hartherzigen Einstellungen können hartherzige Handlungen werden.
Fehlende Begründung für den Kampf
Allerdings fehlt die Begründung. Warum soll ich den einen oder anderen Weg gehen? Der Naturalismus kennt die Antwort auf diese Frage nicht.
Klar, wer Kinder hat, kann sich denken: „Du liebes Gen, schauen wir, dass wir Dich weiterbringen.“ Aber warum sind diese Gene mehr wert als die von einem Hefebakterium oder Ameisen?
Wir sind ja nur „Schleim“ (Peter Atkins) aus „Schimmelüberzug“ (Arthur Schopenhauer). Ist es da nicht viel rationaler, sich einfach noch eine schöne Zeit zu machen? Sterben müssen wir ja eh alle. Ich hab das Gefühl, dass aus dieser Weltsicht Apathie folgt, fast so wie bei einem monistischen Weltbild.
Der Naturalismus erzählt die Geschichte einer Tragödie – es wird alles den Bach runtergehen. Woher kommt Hoffnung? Nicht aus dieser Tragödie.

Bild: Hugo Jehanne auf Unsplash.com
Durchdachte Reaktionen aus dem Transhumanismus
„Die Philosophin und Politologin Hannah Arendt sah Transhumanismus als ‚Rebellion gegen die menschliche Existenz, so wie sie uns gegeben wurde, ein Geschenk aus dem Nirgendwo (säkular ausgedrückt), die er sozusagen gern gegen etwas austauschen möchte, das er selbst geschaffen hat‘.“ Hannah Arendt, The Human Condition, University of Chicago Press, 1958, 2-3, zit. n. Lennox, 142.
Menschen sind wertvoll und haben ein Problem
Für viele Transhumanisten hat die Menschheit kosmische Bedeutung. Wir haben nämlich Bewusstsein und die Fähigkeit, in unsere Evolution einzugreifen und potenziell den gesamten Kosmos zu kolonisieren und zu verändern. Das ist zwar noch ein Materialismus, aber kein althergebrachter depressiver Materialismus, wir sind nicht nur „Schleim“ (Peter Atkins) aus einem „Schimmelüberzug“ (Schopenhauer).
Allerdings gibt es für Transhumanisten ein Problem, das uns daran hindert, unser wahres Potenzial auszuleben. Um das Problem zu überwinden, brauchen wir eine dramatische Transformation, die zu (fast) ewigem Glück führen wird.
Diese christlich anmutende Erzählung verlegt die Jenseitshoffnung auf ein utopisches Leben. Das Problem für die Menschen ist laut Transhumanismus übrigens unser Körper. Unsere derzeitigen Körper müssen gegen perfektionierte Körper eingetauscht werden oder gegen eine Existenz als eine Art KI in einer Cloud.
Ressourceneinsatz auf dem Weg ins Paradies
Das Ziel für den einzelnen Transhumanisten ist Selbsterhalt. Dafür müssen viele Ressourcen eingesetzt werden. Da es keine unbegrenzten Ressourcen gibt, ist diese Hoffnung eher etwas für die Superreichen, nicht für die Armen heute oder späterer Generationen.
Auf dem Weg zum Glück werden Opfer verlangt – allerdings kann leicht eine „nach mir die Sintflut“-Haltung daraus werden. Stephen Hawking war kein Transhumanist, aber er sah keine Zukunft auf dieser Erde und regte mehr Investitionen für die Kolonisierung des Alls an.
Fehlende Begründung für Zuversicht, Bewusstsein und Verzicht für andere
Transhumanismus bietet keine begründete Hoffnung. Daraus entsteht keine Zuversicht.
Unbegründete Zuversicht: Es gibt keinen Grund zu denken, dass die Erzählung des Transhumanismus ein Weg in eine bessere Hoffnung ist, der funktionieren wird. Daher kommt sie auch nicht ohne einen starken Fortschrittsglauben aus. Diesen Glauben hat der Transhumanismus aus dem Christentum importiert. Es gibt keine Garantie, dass irgendjemand jemals diesen utopischen Zustand erreichen wird.
Unbegründete Analyse: Der spannende Ausgangspunkt ist das unerklärliche Phänomen unseres Bewusstsein. Der Transhumanismus hat aber keine Antwort darauf, was Bewusstsein ist.
Computermetaphern überzeugen nicht. Gehirne sind keine Computer, Bewusstsein ist kein Computer-Programm. Es ist reine Spekulation, dass wir unser Bewusstsein auf einen anderen Körper übertragen können.
Unbegründeter Verzicht für Andere: Die Selbsterhaltung als Ziel führt niemanden dazu, sich für andere hinzugeben. Daher ist es für den Einzelnen nicht gerade klar, warum er seine Ressourcen für zukünftige Halbgötter investieren soll.
Fehlende Begründung für stabile Hoffnung
„Wir“ werden nicht dabei sein, denn entweder erreichen erst spätere Generationen dieses Ziel. Oder der Prozess misslingt und wir sterben. Oder er gelingt und wir werden in Wesen verwandelt, die uns nicht mehr ähnlich sind.
Sogar falls „wir“ dort ankommen, ist das utopische Ziel nicht stabil. Wenn nur eines von diesen transhumanen superintelligenten Wesen durchdreht, kann er das Paradies ruinieren.
Der Transhumanismus bietet einen interessanten Anlass, auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Aber er überzeugt mich überhaupt nicht. Er erzählt eine Happy-End-Geschichte, aber leider ohne Fundament. Woher kommt begründete Hoffnung?

Werner Hofmeister, Tabula Saltandi. Foto von FOSO-ART auf wikimedia.org
Begründete Hoffnung aus dem christlichen Theismus
Eine robuste christliche Weltsicht steckt weder den Kopf in den Sand noch sucht sie das Heil für wenige Auserwählte in der Zukunft. Christlicher Theismus sieht hier und jetzt jeden Menschen und auch diese Welt als wertvoll.
Die christliche Erzählung
Im Zentrum des christlichen Theismus steht ein Gott-Mensch: Jesus ist Gott der Sohn. Dieser Gott-Mensch hat aber nicht ein Paradies für sich erschaffen, sondern alles aufgegeben, aus Liebe zu jedem Menschen. Er ist gestorben um uns frei zu machen von Selbstzentriertheit und Schuld. Er ist auferstanden und wird wiederkommen, um alles wieder gut zu machen. Es geht alles gut aus mit Jesus.
Christen sehen sich nicht als die letzte Instanz. Sie vertrauen einem Gott, der von sich sagt, dass er die Fäden in der Hand hat. Ein Blick hinter die Kulissen im biblischen Buch Offenbarung zeigt: „Auf dem Thron saß einer.“ (Offenbarung 4,2).
Christen sehen nicht ihren Körper als letztes Problem. Die Analyse geht tiefer zu dem, was in uns steckt.
Die studierte Agrarwissenschaftlerin und Autorin Naomi Bosch beginnt ihr ermutigendes Buch „Und dennoch pflanze ich einen Garten“ auch mit einem realistischen Blick:
„Wenn ich mit Freundinnen und Freunden oder Bekannten über aktuelle Umweltprobleme spreche, kommen wir erstaunlich häufig zu einem Schluss: Das tiefer liegende Problem hinter Fast Fashion, Plastikmüll und Klimawandel ist unsere Bequemlichkeit, unser Egoismus. Wir Menschen müssen uns ändern. Der Kern der Umweltkrise schlummert tief in unseren Herzen. Hört sich an wie Hosea 4, nicht wahr? Wahrheit ist nicht immer angenehm … Sogar immer mehr Forschende sprechen davon, dass die aktuelle Umweltkrise im Kern eine geistliche und ethische Krise ist.“ (Naomi Bosch, 69)
Deswegen war der Tod am Kreuz nötig. Und deswegen haben wir weder vor dem „kleinen Ende“ noch vor dem „großen Ende“ Angst.
Keine Angst vor einem schlimmen Ende
Das „kleinen Ende“ ist unser eigenes persönliches Ende. Wir sterben und stehen vor Gott. Aber weil wir Christus vertraut haben, sind wir versöhnt und werden wie Familienmitglieder aufgenommen.
Das „große Ende“ ist die Rückkehr von Jesus um alles wieder gut zu machen. Diese Welt ist wertvoll und hat Zukunft.
Das „eukatastrophale Happy End“
J.R.R. Tolkien prägte den Begriff „Eukatastrophe“ um eine plötzliche Wendung zum Guten zu beschreiben, wenn alles schon zu spät ist: Der Kuss rettet Schneewittchen, der Todesstern explodiert, Gollum fällt mit dem Ring ins Feuer.
Christen glauben an so etwas. Sie können begründet daran glauben, dass es schon einmal geschehen ist: Jesus ist nach dem Tod am Kreuz auferstanden. Und das macht begründete Hoffnung auf eine lebendige Zukunft. Es geht alles gut aus mit Jesus:
Das Lamm, das in der Mitte des Thrones steht, wird ihr Hirt sein und sie an die Quellen führen, deren Wasser Leben spendet. Und Gott wird alle ihre Tränen abwischen. (Offenbarung 7,17)
Es gibt Grund für Trauer und Tränen.
„Liest man von den bis 2050 vorhergesagten zweihundert Millionen Umweltflüchtlingen, kann es einem schwer ums Herz werden. Wer kann gleichgültig bleiben, wenn von steigenden Meeresspiegeln, Dürre, Trinkwasserknappheiten und Kriegen die Rede ist?“ (Naomi Bosch, 168)
Trotz Tränen und böser Menschen, die Leid verursachen, Macht und Profit wollen, trotz allem geht es gut aus mit Jesus.
Einsatz für das Gute
Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat nach seiner Vergiftung durch den russischen Geheimdienst bewusst entschieden, nach Russland zurückzukehren. Weltweit wurde ihm dafür Respekt gezollt und die Frage aufgeworfen: Gibt es etwas, für das es sich lohnt, zu verzichten, gar zu leiden?
„Mancher sieht nun in Nawalnys Tod eine Ähnlichkeit zum Selbstopfer Christi, und tatsächlich hat Nawalny selbst, das sagt er im Dokumentarfilm Becoming Nawalny, der dieser Tage erschienen ist, in Christus den Menschen gesehen, der wirklich historisch einen Unterschied gemacht habe. ‚Fürchtet euch nicht‘ war auch seine Devise, … Es kann also sinnvolle Gründe geben, den vorzeitigen Tod in Kauf zu nehmen, freiwillig, um im Namen der Freiheit illegitimer Macht und Gewalt entgegenzustehen.“ (Elisabeth von Thadden, Was für ein Leben, Die ZEIT No 9, 22.2.2024, S. 50)
Ist der Tod das Ende? Wir alle werden sterben, aber Christen haben eine begründete Hoffnung darauf, dass der Tod nicht das Ende der Existenz ist – das Bewusstsein lebt weiter und es kommt auf die Beziehungen an, auf die Beziehung zu Gott. Daher gibt es Grund für Gläubige, Gott im Leid zu vertrauen.
Das macht frei für den Einsatz für das Gute.
Einsatz für das Gute bedeutet oft Veränderung, und Veränderung bedeutet oft Verzicht. Christen denken, dass wir für Liebe geschaffen wurden und daraus folgt, nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu geben. Nicht nur auf mich selbst zu blicken, sondern von mir weg auf andere.
Durch diese christliche Nächstenliebe können Kipppunkte der Selbstlosigkeit und positiven Veränderung erreicht werden.
Tröstlich und praktisch
Christlicher Theismus hat einen überraschenden Nebeneffekt: Gläubigen geht es besser.
Darüberhinaus bringen christliche Überzeugungen Tröstliches und praktisch Hilfreiches mit sich. In diesem Weltbild haben persönliche Beziehungen, die Natur, Arbeit und Gespräch mit Gott einen großen Wert.
- Kontakt zu Personen tut gut.
Jesus-Fans hören ihm zu, wenn er sagt: „Liebe Deinen Nächsten…“ Daher ist es natürlich, Kontakt aufzunehmen und Beziehungen zu pflegen. Das tut gut.
Wenn wir Trost brauchen, brauchen wir andere Menschen, die da sind und zuhören.
„Das Aussprechen bringt Bewegung in unsere Gedanken.“ „Nur wer gehört wird, fühlt sich zugehörig. Hören und Gehörtwerden schaffen Gemeinschaft.“ (Anselm Grün)
Wenn wir Zeit miteinander verbringen, hilft uns das.
„Eine Studie der Universität Oxford fand heraus: Je häufiger wir mit anderen Menschen essen, umso wahrscheinlicher ist es, dass wir glücklich und zufrieden mit unserem Leben sind.“ (Naomi Bosch, 146)
- Kontakt zur Natur tut gut.
Menschen sind keine Fremdkörper oder Störenfriede – zumindest müssen sie es nicht sein. Es gibt einen Grund, warum Jesus sagte: „Seht euch die Blumen auf den Feldern an …“ (Lukas 12,27)
„Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott uns geschaffen hat, um in enger Verbindung mit seiner Schöpfung zu leben. Fehlt uns dieser tägliche Kontakt zur Natur, hat das nicht nur negative Konsequenzen für unseren Umgang mit der Umwelt. Ohne diese Verbindung fehlt auch unserer Seele und unserem Körper etwas Lebenswichtiges. Und ja, ich glaube auch, dass unsere Beziehung zu Gott unter dieser Entfremdung von seiner Schöpfung leidet.“ (Naomi Bosch, 125)
- Etwas anpacken tut gut.
Aus christlicher Sicht sind Menschen dazu da, die Welt zu gestalten und zu arbeiten. Bei allem Frust gibt das christliche Weltbild hier die Hoffnung: „Ihr wisst, dass der Herr euren Einsatz belohnen wird.“ (1.Korintherbrief 15,57)
„Wenn die Sorge um unsere Erde dich lähmt, ist es oft das Beste, etwas zu tun. Egal wie klein und unbedeutend es erscheinen mag.“ (Naomi Bosch, 170)
„Um Trost zu finden, müssen wir uns in Bewegung setzen. Lustlosigkeit lähmt. Nichtstun macht depressiv.“ (Anselm Grün)
Wenn wir uns nicht an unserem Ort engagieren, leben wir wie Touristen und übernehmen keine Verantwortung. Der Prophet Jeremia schrieb an eine verschleppte Gruppe von Kriegsgefangenen: „Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte;…“ (Jeremia 29,5).
„Ich nenne es das ‚Touristen-Syndrom‘: Wenn wir keine tiefere Beziehung zu einem Ort haben, dann ist es uns auch nicht so wichtig, was mit den Menschen und der Umwelt dort geschieht.“ (Naomi Bosch, 153)
„Wie wär es, wenn wir wieder anfangen würden, wie ‚Einheimische‘ zu leben?“ (Naomi Bosch, 159)
- Mit Gott reden tut gut.
„In der Welt habt ihr Angst, doch ich habe die Welt überwunden.“ (Jesus in Johannesevangelium 16,33)
Für Jesus-Fans kann das Leben Angst machen, Angst ist oft angemessen – aber die Lage ist nie hoffnungslos. Wegen Jesus. Es gibt immer beides in dieser Welt: Angst und Hoffnung.
Viele Gläubige berichten, dass Gespräch mit Gott ihnen in beängstigenden Situationen hilft.
„Ich beginne, mit Jesus, dem guten Hirten, zu reden. Mit dem Herrn der ganzen Schöpfung, durch den alles geschaffen wurde (vgl. Kolosser 1,16), der sich aber gleichzeitig um jeden Spatzen kümmert (vgl. Lukas 12,6). Wenn alles um uns herum düster erscheint und uns Zukunftsängste quälen, dürfen wir doch sicher sein: Da ist jemand, der für uns ist.“ (Naomi Bosch, 171)
Zuversichtlich und realistisch Hoffnung für Alle verbreiten
Der Einsatz für das Gute, ein aktives Leben mit echten Beziehungen, ein realistischer Blick auf die Welt, aber voller Zuversicht – diese Einstellung kann sich ausbreiten. Menschen orientieren sich an dem, was andere tun.
„Deshalb sind die sogenannten Upstander so wichtig: jene, die als Erste die Initiative ergreifen und die schweigende Mehrheit mitreißen.“(Die ZEIT No 6, 1.2.24, S. 30)
Es gibt für sie keine Grenzen, keinen Menschen, der nicht davon erreicht werden könnte oder dadurch selbst Hoffnung schöpfen könnte.
MEHR
Literatur
https://www.klimafakten.de/behauptungen/ist-vielleicht-etwas-anderes-als-der-mensch-die-ursache-0
Naomi Bosch, Und dennoch pflanze ich einen Garten. Wie wir in der Umweltkrise Samen der Hoffnung säen. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2023.
Gwynne Dyer, Climate Wars. The Fight for Survival as the World Overheats. Oneworld Publications, Oxford, 2008, reprinted 2010.
Ted Gioia, The State of the Culture, 2024. Or a glimpse into post-entertainment society (it’s not pretty), https://www.honest-broker.com/p/the-state-of-the-culture-2024
Anselm Grün, Das gibt Trost! ZEIT No 2, 4.1.2024, 48.
John Lennox, 2084. Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Menschheit. SCM R. Brockhaus, Holzgerlingen 2022.
Krieg, Du liebe ZEIT!
Ist Deutschland reif für die Bombe? (Die ZEIT No 6, 1.2.24, S. 18): „… Deutschland müsse sich in fünf bis acht Jahren auf einen Krieg mit Russland einstellen.“
Vor aller Augen (Die ZEIT No 9, 22.2.24, S. 1) „Die Gefahr aus dem Kreml kleinzureden, heißt auch, sich vor der Frage zu drücken, was alles droht, wenn Putin keine Grenzen mehr kennt. Wenn ein siegreicher Trump uns nicht mehr beisteht und der Schutz der Nato nicht mehr sicher ist. … Investitionen ins Militär und die damit verbundenen finanziellen Opfer … Die Parteien, die dafür werben, sollten das vor Wahlen klar aussprechen und somit zur Abstimmung stellen. Denn es geht letztlich um eine sehr kostbare Frage: Wird Europa künftig in Freiheit leben?“
Bis zum Letzten (Die ZEIT No 9, 22.2.24, S.2) „Der Westen versuche, ‚Russland auf die Grenzen von 1991 zurückzuwerfen‘, womit Medwedew von Russland in seinen völkerrechtlich annerkannten Grenzen spricht. Das könne zum globalen Krieg mit Nuklearwaffen führen: ‚Kiew, Berlin, London, Washington, diese schönen historischen Orte gehören seit Langem zu den Flugzielen unserer Nuklearstreitkräfte.'“
Ein Hirngespinnst (Die ZEIT No 10, 29.2.24, S. 5,zur europäischen Atombombe) „Die Krux ist die superteure konventionelle Abschreckung. … In der Praxis zählt die abwehrfähige Armee. Panzerhaubitzen sind nützlicher als Atombomben.“
KI, Du liebe Zeit! (Und STandard)
Regulierte Intelligenz (Die Zeit No 7, 8.2.24, S. 31)
Eine neue Mathematik. (ZEIT No 9, 22.2.24, S.34 über KI in der Mathematik) „‚Vorerst sitzen wir noch am Steuer‘, sagt Terence Tao. ‚In 50 Jahren ist das vielleicht anders.'“
Tote Verwandte mit KI wiederzubeleben ist keine kluge Idee, warnen Forscher. Der Standard, 27.2.24. https://www.derstandard.at/story/3000000209243/tote-verwandte-mit-ki-wiederzubeleben-ist-keine-kluge-idee-warnen-forscher
Forscher kreieren ersten KI-Wurm und warnen vor realer Bedrohung. Der Standard, 5.3.24. https://www.derstandard.at/story/3000000210169/forscher-kreieren-ersten-ki-wurm-und-warnen-vor-realer-bedrohung
Veränderung, Du liebe ZEIT!
Ganz schön wackelig. Wie können sich gesellschaftliche Stimmungen ganz plötzlich drehen? Die Theorie der Kipppunkte liefert Erklärungen. (Die ZEIT, No 6, 1.2.24, S. 30)
Klima, Du liebe Zeit!
Der schönste Ort der Welt? (Die ZEIT No 9, 22.2.24, S. 43-44, hier 44: „Klimawandel heißt hier nicht Askese, nicht Verzicht, sondern Abenteuer. Saudi-Arabien, eine Supermacht der Zuversicht. … Für den alten Westen ein ungemütlicher Gedanke: wie geräuschlos sich die liberale Kunst einfügt, wie mühelos sie hineinpasst in die Diktatur.“)
Warum ist das so teuer geworden? (ZEIT No 9, 22.2.24, S. 26 über Teuerung von Schokolade, Olivenöl, Orangensaft, Zucker und die klimatischen Hintergründe.)
Erschöpfung, Du liebe ZEIT!
Aufwachen! Krise folgt auf Krise – das hält doch keiner mehr aus. Eine Suche nach Wegen aus der großen Erschöpfung. (Die ZEIT No 8, 15.2.24, S. 27-28) „Das Zeitalter der Polykrise ist auch eines der Polymüdigkeit, der Polyerschöpfung. März 2023: Die häufigste Diagnose von Psychotherapeuten lautet ‚Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit‘.“
Was ist soziale Energie? (Die ZEIT No 3, 11.1.24, S.47): „Die politische Einsicht lautet, wir müssten (endlich) mehr Energie in die Digitalisierung, mehr Energie in die Bildung stecken, mehr Energie für die Verteidigung, für die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit, der ökonomischen Stagnation und des Klimawandels aufwenden – aber die politische Wahrnehmung sagt uns: Wir haben keine Kraft mehr dazu.“
Politik und Gesellschaft, Du liebe ZEIT
„Jung, schnell, witzig, rechts“ (Die ZEIT No 9, 29.2.24, S. 2) „Denn TikTok ist, so sagt der rechtsextreme Identitäre Martin Sellner: ‚Metapolitik auf Speed‘. … Sellner zeigt auf sein Smartphone, das er ‚die Keule des Infokriegs‘ nennt: ‚Diese neue Technik gibt uns eine Waffe an die Hand, um die Säulen des bestehenden Systems wegzuschlagen.‘ Mit kaum etwas lasse sich Metapolitik so schnell, so effektiv betreiben wie mit TikTok.“
Er sagte das Beben voraus. (ZEIT No 10, 29.2.24, S. 3 über Didier Eribon): „Das Einzige, was den Arbeitern geblieben war, um sich zugehörig zu fühlen, argumentiert Eribon, sei ihre Nationalität gewesen. … ‚Meine Mutter war lange in Rente. Sie war vom Leben abgeschnitten, sie hing den ganzen Tag vor dem Fernseher. Und das Fernsehen trägt natürlich eine erdrückende Verantwortung für die aktuelle Situation.“
Schreien allein ist kein Diskurs (ZEIT No 8, 15.2.24, S.24): „Hier zeigt sich deutlich, dass eine Idee an ihr Ende gekommen ist: die Idee, dass es gar nicht plural und inklusiv genug zugehen könne und niemand ausgeschlossen werden dürfe. … Auch so lassen sich Räume schützen: mit klaren Grenzen und offenem Visier. Es sit ein linksliberales Missverständnis, wenn man glaubt, den offenen Dialog zu verteidigen, indem man ihn sperrangelweit aufmacht.“
„Die Politik greift direkt in die Forschung ein“ (ZEIT No 11, 7.3.24, S.40): „Wir beobachten seit der weltweiten Hochzeit der Wissenschaftsfreiheit im Jahr 2006 sehr schmerzhafte Verluste. Heute lebt nur noch jede dritte Person in einem Land, in dem die Wissenschaftsfreiheit gut bis sehr gut geschützt ist – 2006 war es noch mehr als jede zweite. … Wenn wir die globale Lage also nach der Bevölkerung gewichten, dann sind wir ungefähr wieder auf dem Niveau von 1973: 45 Prozent leben in Ländern, in denen die Wissenschaftsfreiheit vollständig eingeschränkt ist, das sind 3,6 Milliarden Menschen.“
Arbeit und Globalisierung, DU liebe ZEIT!
Zu viel Sinn macht krank. (Die ZEIT No 10, 29.2.24, S. 18) Über Sinn als Sinn der Arbeit und seine Tücken und Gefahren.
Soll der Staat die Solarindustrie retten? (ZEIT No 6, 1.2.24, S. 19): „Die alten Theorien vom Segen der Weltweiten Arbeitsteilung gelten nicht mehr.“
Clemens Mitterlehner über Schulden : „Menschen, die im Monat 250 Euro für sich und ihr Kind zur Verfügung haben, sind Lebenskünstler“ (https://www.zeit.de/2024/09/clemens-mitterlehner-schulden-oesterreich)
Technologie, Du liebe ZEIT!
Die Welt als Brille und Vorstellung (Die ZEIT No 8, 15,2.24, S. 54) „Kriege, Nazis, Klimakatastrophe: Die Realität ist ein übler Ort. Es ist Zeit, sie zu verlassen, und mit der gerade auf den Markt gekommenen Apple-Vision-Pro-Brille, einem sogenannten Virtual-Reality-Headset, wird es gelingen. … Den öffentlichen Raum, verstanden als zivile Zone, in der sich alle einigermaßen gesittet benehmen, kann man vergessen. … James Cameron, Regisseur von Terminator und Avatar, sagte nach Gebrauch der Brille: ‚Ich habe Gott gesehen.‘ Holy shit, wahrscheinlich hat er recht.“
Die sieben Tröstungen des Thomas von Aquin
„Der heilige Thomas von Aquin nannte im 13. Jahrhundert sieben Tröstungen: Lust macht das Leben lebendig. Tränen verwandeln die Trauer. Das Mitleid der Freunde erleichtert unsere Last. Die Schau der Wahrheit macht uns frei. Schlafen erfrischt Körper und Geist. Bäder reinigen Körper und Geist. Das Gebet vereint unsere Herzen mit Gott.“ (Anselm Grün)
Ted Gioia Originalzitat
„Addiction is the goal. They don’t say it openly, but they don’t need to. Just look at what they do. Everything is designed to lock users into an addictive cycle.“ (Ted Gioia, The State of the Culture, 2024. Or a glimpse into post-entertainment society (it’s not pretty))
Naturalisten über Menschen
Peter Atkins, der Oxforder Chemiker, sagt, wir seien „Schleim“:
„Ich habe stets geglaubt, dass ich unbedeutend wäre. Nachdem ich die Größe des Universums kennengelernt habe, sehe ich erst, wie unbedeutend ich wirklich bin. Und ich denke, der Rest der Menschheit sollte erkennen, wie unbedeutend sie wirklich ist. Ich meine, wir sind nur ein bisschen Schleim auf einem Planeten, der zu einer Sonne gehört.“ (Peter Atkins, in Russell Stannard, Science and Wonders, p7.)
Arthur Schopenhauer sieht unseren Ursprung in „Schimmelüberzug“:
„Im unendlichen Raum zahllose leuchtende Kugeln, um jede, von welchen etwan ein Dutzend kleinerer, beleuchteter sich wälzt, die inwendig heiß, mit erstarrter, kalter Rinde überzogen sind, auf der ein Schimmelüberzug lebende und erkennende Wesen erzeugt hat: – dies ist die empirische Wahrheit, das Reale, die Welt.“ (Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, II)
Gehirne sind keine Computer, Bewusstsein ist kein Computer-Programm
Dagegen spricht das „Chinese Room Argument“ von Searle:
„Wenn der im Zimmer eingeschlossene Mann kein Chinesisch versteht, dabei aber das richtige Programm anwendet, um Chinesisch zu kommunizieren, dann versteht auf dieser Grundlage auch kein digitaler Computer Chinesisch, denn kein Computer hat in seiner Eigenschaft als Computer irgendetwas, das ein Mensch nicht hat.“ (Zfg in Lennox, 97, nach Robert A. Wilson (Hg.)/Frank C. Keil (Hg.), Chinese Room Argument, in : The MIT Encyclopedia of the Cognitive Sciences (MA: MIT Press, Cambridge, 1999), S. 115.)
Computer spielen nicht, sind nicht kreativ, lösen keine Rechenaufgaben (vgl Lennox, 98):
„Sehen sie mir bitte nach, dass ich einen Artikel über Computer so einleite, aber ich muss es ganz deutlich aussprechen: Computer operieren wirklich mit Symbolen, die die Welt repräsentieren. Sie speichern wirklich Daten und rufen sie wieder ab. Sie verarbeiten wirklich Daten. Sie haben ein physisches Gedächtnis. In allem, was sie tun, werden sie ausnahmslos von Algorithmen gesteuert. Menschen tun das nicht. Sie haben es niemals getan und werden es niemals tun. Wenn das so ist, warum sprechen dann so viele Wissenschaftler über unser geistiges Leben, als wären wir Computer?“
Ziele und Absichten von Computer kommen immer von Menschen, die Ziele verfolgen, Absichten haben. Computer haben auch keine Bedürfnisse (vgl Lennox, 99).
John Lennox bietet weitführende Überlegungen zu Gedanken, Verstand und Geist als Hinweise auf deren ontologischen Status mit Verweis auf John Polkinghorne, John Gray, Thomas Nagel: Darwin zweifelt zurecht an der Vertrauenswürdigkeit des Verstandes, wenn dieser rein naturalistisch entstanden ist. Elektrochemische Ereignisse sind keine Diskurse. Rein evolutionär dient der Verstand dem evolutionären Erfolg, nicht der Wahrheitsfindung und Freiheit (vgl. Lennox, 112).
Menschen haben im Unterschied zu Maschinen Leben, Ästhetik, Neugier, Bewusstsein, Aufgabe, Sprache, Bewertungen, Ethik, Beziehungen.