Wir stehen am Gipfel eines Berges, unter uns fliegen die Dohlen durch die Wolken – warum finden wir das schön? Der Berggipfel ist eine Todeszone. Wir können hier weder ein Carport bauen, noch Reis ernten. Trotzdem erleben viele Menschen diesen Ort als ästhetischen Genuss. Ist Schönheit eine Spur zum Schöpfer?
Schönheit zu genießen gehört zum Menschen dazu. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass es wohl Schmuck gibt, seit es Menschen gibt. Anscheinend konnten wir immer schon Schönheit auch in Muscheln und Schnecken und Bernstein wahrnehmen und versuchen, uns selbst damit auch schöner zu machen.
Wieso genießen wir Schönheit?
Nicht nur die Schönheit von Wüsten und Giftpflanzen ist ist rätselhaft. Warum sind Lilien schön? Sicher nicht, weil sie bis auf den Stamm meistens essbar sind! Sonst müssten wir auch von der Schönheit der Kartoffel schwärmen.

Bild: Wiesenblumen von Annie Spratt auf Unsplash.com
Wenn wir mit Jesus die Lilien in ihrer Pracht betrachten (Matthäus 6,28-29), stellen sich uns zwei Fragen:
Hat uns die Natur reingelegt?
Prächtige Männchen imponieren im Tierreich den Weibchen, um Gene weiterzugeben. Der Sinn der Schönheit im Tierreich ist letztlich Fortpflanzung.
Welche Fehlleistung der Natur wäre es dann, dass wir Tiger zum Niederknien schön finden!
Und welche Rätselhaftigkeit verbirgt sich hinter unserem über-aufnahmefähigen ästhetischen Sinn für derart vielfältige Phänomene? Wieso gibt es schöne Spielzüge im Schach oder im Fußball? Was macht Kalligraphie schön? Was macht Musik, Mathematik, Filme, Geschichten, Gedichte, Freundschaften oder einen aufgeräumten Schreibtisch schön?
Und wozu dient die Schönheit von Kunstwerken? Welchen Fortpflanzungsvorteil soll es haben, dass wir die Werke von Mozart und van Gogh als schön erkennen?
Wäre das nicht maßlos übertriebener Aufwand oder eher noch eine gefährliche Ressourcenverschwendung?
Hat uns der Schöpfer einen Sinn für Schönheit hineingelegt?
Oder hat unser Schöpfer diesen ästhetischen Sinn in uns hineingelegt? Ist Schönheit eine Spur zum Schöpfer?
Im christlichen Weltbild ist Gott die Quelle der Schönheit, des Guten und der Wahrheit, weil er selbst schön, wahr und gut ist.
Die leidenschaftliche Bitte in Psalm 27,4 spricht von der Sehnsucht, Gott zu bewundern:
Nur eine Bitte habe ich an den HERRN, das ist mein Herzenswunsch: Mein ganzes Leben lang möchte ich in seinem Haus bleiben, um dort seine Freundlichkeit zu schauen und seinen Tempel zu bewundern. (Psalm 27,4)
Die „Freundlichkeit“ Gottes kann auch mit „Schönheit“ übersetzt werden – im Singen dieses Liedes drückt sich die Sehnsucht nach der Schönheit Gottes aus.
Gott ist selbst schön und seine Werke sind es laut den ersten beiden Kapiteln der Bibel ebenfalls. Am Ende von Kapitel 1 bewertet er seine Kunstwerke als „sehr gut“ (1.Mose 1,31). In Kapitel 2 legt Gott einen Garten namens „Eden“ („Wonne“) an, in dem „schöne Bäume, die köstliche Früchte trugen“ wachsen. Das ist keine Astronautennahrung!

Bild: Japanischer Garten von Derwiki auf Pixabay.com
Außerdem sind dort Gold, Parfum und Edelsteine zu entdecken (1. Mose 2,8-9.12). Das sind – kaltherzig gedacht – nutzlose Dinge. Es geht bei ihnen nicht um die medizinischen oder ökonomischen Vorteile, die sie eventuell haben könnten. Es geht darum, dass Gott noch mehr Schöhnheit in die Welt legt, die wir Menschen entdecken sollen.
Ist unser Sinn für Schönheit eine Spur zu Gott?
Schönheit führt auch zu Beziehung. Wenn wir etwas Schönes genießen, wollen wir es instinktiv mit jemandem teilen. Deswegen sagen wir: „Schau mal dort, wie schön!“
Schönheit verbindet uns aber nicht nur untereinander. Wenn wir Schönheit genießen, erleben wir oft ein Gefühl von Dankbarkeit. Wir wollen gerne jemandem danken.
Aus der christlichen Weltsicht ist das zu erwarten. Der schöne Gott, der Schönheit genießt und schöne Kunstwerke erschafft, hat Menschen „nach seinem Bild“ (1.Mose 1,26-27) erschaffen. Menschen spiegeln aus dieser Perspektive etwas von Gott wider.
Als seine Bilder können wir Schönheit dankbar wahrnehmen und sind zu Schönheit hingezogen und wollen Schönheit mit anderen teilen.
Schönheit wird so zu einem der indirekten Hinweise auf Gott. Weil Gott ist, wie er ist und wir seine Kunstwerke, lösen sich die Rätsel der Lilien und Tiger. Wir spiegeln Gott wider: Das erklärt unseren Sinn für Ästhetik. Das erklärt den beziehungsfördernden Aspekt von Schönheit und unser Gefühl von Dankbarkeit.
Das erklärt auch, warum es uns gut tut, Schönheit zu genießen. Gott hat uns dazu geschaffen, ihn auch in dieser Hinsicht widerzuspiegeln.
So bringt uns Schönheit auf die Spur des Schöpfers. Und unser unstillbare Sehnsucht nach mehr wird zum Argument für Gott.

Bild: Iguazu von Martin St-Amant auf wikimedia.org
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Wenn Gott Schönheit bewertet, gibt es dann nicht einen Maßstab zur objektiven Bewertung? Gibt es objektive Schönheit? Einige Gedanken von C.S. Lewis finden sich hier im Abschnitt „C.S.Lewis und der Wasserfall – ästhetischer Relativismus“
Jesus hatte mit seinem Sinn für Schönheit einen prägenden Einfluss auf Kunst und Kultur.